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Magie des Augenblicks


In letzter Zeit konnte man immer wieder nordeuropäische Musiker auf dem Weg nach Frankreich erleben. Vor allem nordische Jazzsängerinnen wie Fredrika Stahl oder Susi Hyldgaard ließen sich vom französischen Lebens- und Musikgefühl inspirieren, und so finden sich auch französischsprachige Lieder auf ihren aktuellen Veröffentlichungen. Andere, beispielsweise den schwedischen Triphop-Chansonnier Jay-Jay Johanson verschlug es schon vor längerer Zeit an die Seine.

Johansons Landsmann Peter von Poehl, selbst ein gefragter Songwriter, der gerade mit Air durch Europa tourte, zeigt nun, dass es auch umgekehrt geht. Kurzerhand schleppte von Poehl nämlich Vincent Delerm, Fixstern des Nouvelle Chanson, in die schwedische Provinz, setzte ihn in sein Studio in Vallarum, machte ihn dort mit seinen Musikerfreunden bekannt, vor allem Arrangeur Christoffer Lundquist, und zusammen nahmen sie die dreizehn Songs für das inzwischen vorliegende Album "Les piqûres d'araignée" auf.

Nun ließe sich vortrefflich grübeln, inwieweit der skandinavische Einfluss auf der CD erkennbar ist. Aber eine Besonderheit steht wohl zweifelsfrei fest: Das Album wirkt gleichermaßen konzentriert und reduziert, sämtliche Lieder kommen ohne große Umschweife auf ihren Punkt, unaufgeregt und bar jeder überflüssigen Spielerei.

Eine solche zugespitzte Situation gelingt vermutlich nur dann, wenn man genau weiß, was man will, Leute hat, die diese Vision verstehen und umsetzen können - und wenn man Zeit und Muße hat, möglichst ohne Ablenkung an der Realisierung seiner Ideen arbeiten zu können - eben in einem kleinen, abgelegenen Studio weit weg von zu Haus.

"Les piqûres d'araignée" ist ein Album, bei dessen Entstehung sämtliche Voraussetzungen erfüllt waren. Die melancholischen Popballaden Delerms gehen sämtlich tief unter die Haut - unerheblich, ob die Französischkenntnisse zum Textverständnis reichen oder nicht. Es ist das gemeinsame Gefühl der Musiker für den perfekten Moment, wie er etwa in dem sehr traurigen Stück "28 avril au 28 mai" zelebriert wird, wenn eine instrumentale Strophe eingeschoben wird, wobei Bass, Piano und Schlagzeug den Atem anzuhalten scheinen, um die Magie des Augenblicks nicht zu gefährden.

Delerm, von Poehl und Lundquist haben das Album vor allem in den kleinen, fast unhörbaren Details perfekt ausgelotet und dabei eine stimmige Atmosphäre geschaffen, die das ganze Album über trägt - und darüber hinaus. Ob das nun typisch schwedisch ist, typisch französisch oder beides, spielt letztlich gar keine Rolle, Hauptsache: es wirkt.

Nur eines fehlt noch. Denn im Gegensatz zu seinen der französischen Sprache gegenüber aufgeschlossenen schwedischen Kolleginnen und Kollegen - auch von Poehl, mit dem er auf "Les piqûres d'araignée" ein Duett singt -, bleibt Vincent Delerm den auf Schwedisch gesungenen Titel schuldig - noch.

© Michael Frost, 30.05.2007

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