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Nicht Ende, sondern
Etappe einer Ära


"It doesn't matter if we all die." Wie oft ist diese Zeile aus dem Cure-Album "Pornography" von 1982 zitiert worden ? Vielfach galt der Satz als Credo der nihilistischen Weltanschauung von Band-Leader Robert Smith, der seinen Anhängern mit Leidensmine in der Stimme und sinistrer Lyrik unter die Haut fährt.

Zwanzig Jahre nach "Pornography" blicken The Cure noch einmal auf die wichtigsten Stationen ihrer Karriere zurück. Für wichtig erachten Smith und Band dabei längst nicht mehr ihre größten Hits - von denen es zahlreiche gäbe -, sondern vielmehr ihre künstlerischen Meilensteine: Lieder, bei denen dem Zuhörer bis heute kalte Schauer über den Rücken laufen, Alben, deren gespannte und aufgeladene Atmosphäre das Seeleninnere nach außen kehrt.

Kaum ein Cure-Konzert ist kürzer als 2 1/2 Stunden. Doch im November 2002 wurde an zwei Abenden im Berliner Tempdrom nochmal zugelegt. The Cure wollten, so die Idee von Robert Smith, ihre drei "dunkelsten" Alben innerhalb eines Konzertes live spielen, und zwar exakt in chronologischer Reihenfolge der Titel und der Veröffentlichung der Alben. Auf "Pornography" (1982) folgten "Disintegration" (1989) und "Bloodflowers" (2000), insgesamt 29 Songs plus Zugaben, die für die nunmehr erfolgte Veröffentlichung auf einer Doppel-DVD mitgeschnitten wurden.

Das Unternehmen war sicherlich ein Wagnis. Ein Konzert folgt anderen dramaturgischen Gesetzen als der Aufbau einer Platte. Insofern müssen dafür auch andere Regeln der Bewertung gelten. Doch das Publikum, das den Weg von Smith und Gefolge über die Jahre begleitet hat, geht auch diesen Weg mit. "Pornography" etwa, bis heute das sperrigste und beklemmendste aller Cure-Alben, wirkt insgesamt deutlich aggressiver und krachender - dadurch aber auch lebendiger - als im Original. Andererseits haben Titel wie "The Figurehead" rein gar nichts von ihrer fast unerträglichen Trauer und Depressivität verloren, Smith intoniert den Song noch mit der gleichen klagenden und verzweifelten Stimme wie damals.

Der Grund für die kraftvolle Interpretation des Materials dürfte in der heutigen Zusammensetzung der Band liegen. 1982 waren The Cure nach heftigen internen Krisen noch noch ein Trio. Vom heutigen Line-Up der Band waren nur Simon Gallup (Bass) und natürlich Smith selbst an der Entstehung beteiligt. Roger O'Donnell (Keyboards) ist immerhin schon seit "Disintegration" dabei, doch in der aktuellen Besetzung mit Perry Bamonte (Gitarre/Keyboards) und Jason Cooper (Drums) spielt die Band erst seit Mitte der 90er Jahre zusammen. "Bloodflowers" (2000) ist das sicherlich wichtigste Album der "heutigen" Cure. Vielfach wurde es als das beste Cure-Album überhaupt bezeichnet, und im direkten "Trilogy"-Vergleich bestätigt sich dieser Eindruck.

So bezeichnet auch Smith die aktuelle Zusammensetzung als das beste Line-Up, das The Cure jemals hatte. Damit mag er Recht haben. Die Kommunikation zwischen den fünf Musikern funktioniert augenscheinlich intuitiv. Jeder für sich ist ein exzellenter Musiker, zieht aber mit den anderen an einem Strang - und alle ordnen sich den kreativen Vorgaben ihres "Mastermind" Robert Smith bereitwillig unter.

Die "Trilogy"-DVD setzt Maßstäbe. Die zwei DVDs mit insgesamt über 220 Minuten Spielzeit, darunter neben dem Konzert ein halbstündiges Interview mit allen Bandmitgliedern vermitteln einen tiefen Einblick in die lange Karriere von Robert Smith und The Cure sowie den Einfluss und die Faszination, die sie in der Rockmusik bis heute ausüben.

Dabei sind die drei "dunklen" Alben nicht etwa, wie man vermuten könnte, das Ende einer Ära, sondern vielmehr Ausgangspunkt für die nächsten Projekte. Und die sollen nach Auskunft von Robert Smith nicht etwa "lighter", also heller und freundlicher und damit ganz anders als die "Trilogy"-Alben werden, sondern nochmals dunkler.

Wenn sie die Absicht bewahrheitet, wird aus der "Trilogy" mit dem nächsten Studioalbum vielleicht schon ein Quartett. Die Fans werden es zu schätzen wissen.

© Michael Frost, 05. Juni 2003

 

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