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Ohne Strom &
ungeschminkt


Best-of-Alben gehören mittlerweile zum Weihnachtsgeschäft wie Lebkuchen und Adventkalender. Für ein Verlegenheitsgeschenk reicht die x-ste Compilation mit vermeintlichen und tatsächlichen Hits altgedienter Pop- und Rockstars immer. Positive Ausnahmen aus dem beliebigen Einerlei sind selten, und deshalb verdienen sie auch besondere Aufmerksamkeit:

Die "Greatest Hits"-Sammlung von The Cure hat es wirklich in sich, nicht nur, weil die versammelten Titel von "Boys don't cry", "The lovecats" oder "Lullabye" Popgeschichte sind, sondern weil es schlicht Spaß macht, sie mit der in limitierter Auflage beigelegten Bonus-CD zu vergleichen, die noch einmal die selben 18 Titel beinhaltet, allerdings in wunderbaren akustischen Versionen.

The Cure hatten sich bei ihrem ersten MTV-Unplugged-Konzert 1991 mit schrammender Geige, Spielzeugklavier und Räucherstäbchen noch einigermaßen ironisch in Szene gesetzt. Die Akustik-Versionen der "Greatest Hits" aber präsentieren sich sehr ambitioniert und professionell und klingen (für Robert Smith sehr ungewöhnlich) ungeschminkt, schnörkellos - und enorm gut gelaunt.

Und selbst wenn die "Greatest Hits" die "positiven", will heißen pop-inspirierten und fröhlichen Hits der Band ("Why can't I be you ?", "Just like heaven", "Friday I'm in love") vorstellt, so legen die robusten akustischen Beats den Pulsschlag der Band frei und bieten so auch für "alte" Cure-Veteranen einen ebenso überraschenden wie ungefilterten Einblick in das Vierteljahrhundert Smith'scher Kreativität.

Ein besonderes Instrumentarium ist für The Cure "Unplugged 2001" nicht nötig. Die Band verlässt sich auf ihre angestammte Begleitung aus Gitarre, Bass, Tasten und Schlagzeug und spielt allein unter zusätzlicher Mitwirkung ihres Ex-Drummers Boris Williams, der sich an den Percussions richtig austoben darf, gleichermaßen begeisternd und mitreißend auf: Selten waren The Cure so live, nah und direkt zu hören, ohne künstliche Effekte - und nie hörte man Robert Smith so klar, deutlich, kräftig und sicher. Er, der Meister der Verwandlung, ist die wirkliche Überraschung des "Greatest Hits"-Albums.

Gemeinsam mit seiner aktuellen Besetzung gelingt es Smith (der nicht müde wird in Interviews zu betonen, dass er selbst die Auswahl der 18 Stücke getroffen habe, anstatt dies seiner Plattenfirma zu überlassen) tatsächlich, auch etwas in Vergessenheit geratene Stücke wie "Lovesong" oder "Mint car" wieder in den Vordergrund zu rücken, und neben den Jazz-angehauchten "Lovecats" wirken erstaunlicherweise ausgerechnet die schnellen und rockigen Titel wie "Never enough" und "Wrong number" besonders überzeugend.

Jetzt warten wir gespannt auf die Greatest Hits der "dunklen" Cure-Seite, die auf dem vorliegenden Album geradezu sträflich vernachlässigt wurden. Nur "A forest" vom 1980er Album "17 seconds" schaffte es auf die vorliegende Best-of-Compilation, gänzlich ausgespart wurden Songs von den Alben "Faith", "Pornography", "The top" und "Bloodflowers". Für eine Fortsetzung bleibt also noch viel Stoff, und in der Tat hat Robert Smith bereits ein Nachfolge-Album mit den "Schlüsselstücken" der Band-Geschichte angekündigt.

Mit The Cure ist also weiter zu rechnen. Auf dem umkämpften Vorweihnachtsmarkt konnten sie sich behaupten, und ganz nebenbei haben sie der Konkurrenz nochmal gezeigt, wie man eine originelle und musikalisch hochinteressante Best-of-Platte produziert, die nicht nur Kasse macht, sondern den Fans für's Geld auch etwas anderes bietet als die erneute Zusammenstellung alter Klassiker in variierter Reihenfolge.

 

Michael Frost, 24. November 2001

 

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