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Jenseits der Gegensätze


Der gebürtige Texaner Larry Coryell ist als Jazz-Gitarrist eine lebende Legende. Seine Karriere begann 1965 in New York in Chico Hamiltons Jazz Quintett. Coryell war jedoch nie daran interessiert, den ausgetretenen Pfaden anderer Jazz-Musiker zu folgen. Er suchte Neuland, vor allem in der Verbindung von Jazz, Blues, Rock und Soul.

Bereits 1969 formierte er eine Tour-Band mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie dem Ex-Bassisten von "Cream", Jack Bruce, dem ehemaligen Drummer aus Jimi Hendrix' Band, Mitch Mitchell und Keyboarder Mike Mandel.

Seitdem ist er überall auf der Welt mit allen nur denkbaren Jazzgrößen aufgetreten, gehörte für zwei Jahre auch dem Gitarren-Trio mit Paco de Lucia und John McLaughlin an, bis er sich durch Al di Meola ablösen ließ, und als er in den 80er Jahren mit seinen Interpretationen von Ravel- und Stravinsky-Stücken Aufsehen erregte, da galt er längst als einer der wichtigsten Pioniere des "Fusion", einer Bewegung, die den Jazz stärker mit anderen Musikrichtungen, vor allem dem Rock zusammenbringen wollten.

Zeit seines Lebens war Coryell offen für das Neue, das Ungehörte und Ungedachte, immer auf der Suche nach überraschenden Verbindungen und Experimenten, eine ständige Herausforderung für Puristen, doch Coryells Antrieb scheint die Erkenntnis zu sein, das künstlerische Isolation unweigerlich zum Stillstand führt.

Dem Vernehmen nach entwickelte sich das neueste Projekt Coryells 1999 durch den Zufall seiner Beteiligung an einem Konzert amerikanischer und indischer Musiker in Tampa (Florida). Dort begegnete er dem Inder Ronu Majumdar, einem Virtuosen auf der "Bansuri", der indischen Flöte, die als das älteste Musikinstrument der Welt gilt. Majumdar verfügte seinerseits bereits über ein breites Spektrum internationaler Erfahrungen, die er u.a. in Zusammenarbeit mit George Harrison, Ravi Shankar und Ry Cooder sammelte.

Nachdem ein erstes Zusammenspiel Coryells und Majumdars bei beiden die Lust nach mehr geweckt hatte (Coryell: "Wir stellten fest, dass wir unter Wahrung unserer jeweiligen musikalischen Identitäten trotzdem als eine Einheit spielen konnten"), wurde zunächst der Tabla-Spieler Abhijit Banerjee dazu gebeten, der wiederum den aus Paris stammenden Percussionisten Kayvan Chemirani mitbrachte und so das Quartett komplettierte, dessen gemeinsame Aufnahme, produziert von Sina Vodjani, unter dem Titel "Moonlight whispers" auf CD erschienen ist.

Das Zusammenspiel der vier überzeugt voll und ganz. Als ob füreinander geschaffen, harmonieren Coryells akustische Gitarre, Majumdars Bansuri, Banerjees Tablas und Chemiranis Zarb, die iranische Trommel, im Wechselspiel auf wunderbare Weise miteinander und entführen den Hörer mit warmen, gleichermaßen anregenden und meditativen Klängen in Spähren jenseits der Gegensätze von Orient und Okzident.

Sie heben die Grenzen zwischen den Kulturen gleichsam auf, ohne ihre Identität zu negieren: Ein Kunststück, wie es nur Musikern gelingen kann, die sich auch einmal neben ihren eigenen Standpunkt stellen können, um die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und dabei neuen Erkenntnissen gelangen.

Coryell: "Der persönliche Dialog, den wir in dieser Zeit entwickelten, übertrug sich auf das Gemeinschaftsgefühl, das in der Musik zum Ausdruck kommt." Stimmt. In jedem einzelnen Ton.

MF 13.10.2001

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