Lange
Zeit sah es nicht danach aus, als ob die Cardigans ihrer hoch gelobten
CD "Gran Turismo" jemals ein weiteres Album folgen lassen
würden. Dem Vernehmen nach herrschte zwar kein Streit, aber Sprachlosigkeit
zwischen den fünf Schweden. Sängerin Nina Persson und Bassist
Magnus Sveningsson veröffentlichten Solo-Alben, Gitarrist Peter
Svensson versuchte sich als Produzent.
Inzwischen
haben die Cardigans längst wieder zueinander gefunden. Für
"Long gone before daylight", ihr nunmehr fünftes Studioalbum
nahmen sie sich sogar mehr Zeit als jemals zuvor. Die Veröffentlichung
war bereits für den letzten Herbst geplant, doch die Cardigans
waren mit der Aufnahme nicht zufrieden - und begannen noch einmal
von vorn.
Herausgekommen
ist ein Album, dass so ähnlich und doch so anders ist als seine
Vorgänger, ähnlich, weil es im Sound der Band über
die Jahre keine Brüche, sondern eine erkennbare Entwicklung und
einen Reifeprozess gegeben hat, den man als Zuhörer nachvollziehen
kann, und anders, weil das Ergebnis dieses Reifeprozesses die Band
und ihren Sound neu zusammengesetzt hat. Die Leichtigkeit der frühen
Alben, die den Cardigans den (dennoch schon damals unzutreffenden)
Ruf als "Easy Listening"-Gruppe bescherte, ist inzwischen
gänzlich verschwunden. Doch auch den ausladenden Sound von "Gran
Turismo" sucht man, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, auf "Long
gone before daylight" vergebens.
Statt
dessen beherrschen stille und zurückhaltende Songs, sparsam instrumentiert
und teils von morbider Schönheit, die Szenerie des Albums. Die
Melodien werden behutsam und mit viel Detailliebe entwickelt, vermutlich
ein lohnendes Ergebnis der akribischen Studioarbeit. Die größte
Leistung besteht dabei in der selbst verordneten Zurückhaltung
und der Reduzierung auf den wesentlichen Gehalt des Gesangs und den
ursprünglichen Charakter der Instrumente: robuste Drums, ein
klar geschliffener Gitarrensound, immer mit Focus auf Nina Perssons
charakteristische Stimme, die in ihrer atmosphärischen Präsenz
gegenüber früheren Alben nochmals deutlich gesteigert werden
konnte.
In der Zurückhaltung fand die Band schließlich zurück
zur essenziellen Kraft ihrer Musik, und die ist auf "Long gone
before daylight" stärker als jemals zuvor. Sowohl rock-betonte
Songs wie "A good horse" als auch die sehr weichen und elegischen
Stücke wie "Communication" und "Can't care less"
oder "Please Sister" mit mitreißenden Streichersätzen
gehören zum Besten, was die Cardigans jemals veröffentlicht
haben.
©
Michael Frost, 25. März 2003