"Ich
kann immer noch nicht glauben, dass es in diesem Song sechs Refrains
gibt!", wird Tracyanne Campbell, Frontfrau der schottischen Band
Camera Obscura, zitiert. Dabei müsste sie es selbst am besten wissen:
"Let's get out of this country", ihr neues Album, scheint
nämlich fast ausschließlich aus Refrains zu bestehen.
So
eingängig, so poppig, so energisch sind die Songs, dass man sich
ihrem Tempo, ihrem Rhythmus, ihrer Atmosphäre kaum entziehen
kann. Dabei atmet das Album den Geist vergangener Jahrzehnte, ist
voller Retro-Anleihen, die jedes Fremdeln schon beim ersten Hören
verhindern: alles ist irgendwie vertraut und dennoch aufregend neu.
Camera
Obscura werden - wohl zunächst wegen ihrer schottischen Herkunft
- mit Belle & Sebastian verglichen. Tatsächlich haben beide
Bands einen ungewöhnlichen Sinn für das Unkonventionelle.
Sie schielen nicht nach Mode oder Zeitgeist, sondern schwelgen spürbar
in den eigenen Vorlieben, und die finden sich im Folkpop der 60er
und 70er Jahre. Ausladende Geigensätze, schrummelnder Walzertakt
und die Hemmungslosigkeit der Hippie-Ära machen einen Großteil
des Charmes dieser Band aus.
Doch
weit mehr Gemeinsamkeiten als mit Belle & Sebastian verbindet
Camera Obsura mit der schwedischen Pop-Kommune "The Concretes".
Mit deren Produzent Jari haapalainen nahmen sie "Let's get out
of this country" in Schweden auf - und engagierten Viktoria Bergsman,
Sängerin eben der Concretes, gleich mit.
So
klingt "Let's get out of this country" oft wie eine nahe
Verwandte des aktuellen Concretes-Albums "In colour", doch
verübeln mag man den Schotten diese Nähe nicht; im Gegenteil:
Man ist infiziert von dem Optimismus ihres Sounds, der Lebensfreude
und dem offenkundigen Spaß, mit dem dieses Album entstand. Das
Leben, so die gute Nachricht dieses Albums, ist ein Refrain.
Ausnahmen
wie die Entstehungsgeschichte des Songs "Country mile" bestätigen
dabei nur die Regel. Tracyanne Campbell: "Ich schrieb den Song
auf dem Rückweg meiner ersten Schwedenreise. Ich sang die Melodie
in mein Handy, während die anderen im Auto sich die Ohren zuhielten
...".
©
Michael Frost, 02.06.2006