Kerstin
Blodig macht es ihren Zuhörern wirklich nicht leicht. Das Cover
ihres neuen Albums zeigt sie lediglich versteckt hinter grobkörniger
Bildauflösung und dicht ins Gesicht geworfener Haarpracht. So sieht
die Zauberin in Märchen aus. Und tatsächlich heißt die
CD auch noch "Trollsang", Lieder von Trollen also, von jenen
kleinen versteckten Bewohnern der nordischen Länder, zu denen sowohl
die Bergtrolle als auch Wassergeister und alle übrigen Wesen der
Wälder gezählt werden, wie der Pressetext fachkundig erläutert.
Doch
wollte man Kerstin Blodig als esoterisch angehauchte Märchenhexe
bezeichnen, täte man ihr Unrecht. "Trollsang" entpuppt
sich nämlich als eine durchaus handfeste, im Hier und Jetzt verankerte
Produktion, die sie übrigens praktisch im Alleingang realisierte.
Überwiegend nur von einer Gitarre begleitet, beschwört sie
mit hell leuchtender Stimme ("das ist die Stimme einer Nichtraucherin",
sagt sie selbst) alte und neue Geschichten von den kleinen Bewohnern
norwegischer Wälder, die sich der Legende nach nur nach Sonnenuntergang
an die Oberfläche trauen: Sonnenlicht würde sie in Steine
verwandeln.
Kerstin
Blodig spürt der Welt norwegischer Elfen, Feen und Trolle sowohl
in alten als auch in neuen Titeln nach. Dafür geht sie in vier
Titeln bis ins Mittelalter zurück. Doch daneben stellt sie in
drei Instrumentaltiteln auch ihr ganzes Können als Gitarristin
unter Beweis.
Nordische
Sagenwelt und traditionelle Tänze mischen sich mit ihrem Gitarrenspiel,
das mal Folklore, mal Blues sein könnte. So erreicht "Trollsang"
gerade durch seine Reduktion auf Kerstin Blodigs Gesang und Spiel
eine ungeahnte Vielseitigkeit, und überrascht stellt man fest,
dass der erste Eindruck doch nicht trog: Kerstin Blodig ist eine Zauberin,
aber eine gute.
(Kerstin
Blodig: Trollsang. Westpark 87107)
©
Michael Frost, 19.01.2005