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Ein Hauch von Tango


"Ich bin halt Französin und nicht Argentinierin." So beschreibt die Akkordeon-Virtuosin Lydie Auvray ihren Zugang zum Tango. Sie grenzt sich damit von seiner ursprünglichen Form, der wilden Roheit, der ungezähmten Leidenschaft und der erotischen Ekstase ab, und erst recht zieht sie einen Trennstrich zum experimentellen "Tango Nuevo" eines Astor Piazzolla, der den Tango zu einer neuen Kunstform erhob. Freilich nicht aus Missachtung, sondern aufgrund eines anderen kulturellen Hintergrunds. Wie gesagt: Lydie Auvray ist Französin, nicht Argentinierin.

Sie verlegt ihre Version des Tango deshalb von Buenos Aires' verruchten Hafenspelunken und Nachtbars in die Licht durchfluteten Cafés von Paris. Oder man stellt sich die Lobby eines eleganten Hotels vor, einen weißen Wintergarten vielleicht, wo Gäste Tee oder Kaffee aus feinen Porzellantassen nippen, wo ein einzelnes Paar ein paar schüchterne Tanzschritte wagt, fast unbemerkt von dem in leise Gespräche vertieften Publikum, während Lydie Auvray mit den "Auvrettes", ihrer angestammten Begleitband (Harald Heinl: Schlagzeug, Percussions - Wolf Mayer: Klavier - Markus Tiedemann: Gitarre - Thomas Tscheschner: Bass) vorsichtige Melodien andeutet - mehr ein Hauch als wirklicher Rhythmus.

Ergänzt wird die Gruppe dabei von dem Streicherquartett Indigo (Heike Haushalter, Petra Stalz, Monika Malek, Gesa Hangen), deren Instrumente die weichen Linien der Auvray'schen Tango-Phantasien nochmals deutlich betonen (Streicherarrangements von Wolf Mayer).

In dieser Besetzung wurden vierzehn Tangos, allesamt von Lydie Auvray selbst komponiert, eingespielt. Einige der Stücke sind bereits einige Jahre alt, andere blieben bislang unveröffentlicht. Tango gehört seit jeher zum Bühnenprogramm von Lydie Auvray, doch nie in der herausgehobenen Form, in der er jetzt auf ihrer neuen CD präsentiert wird.

Für den Geschmack des Tango-Puristen dürfte "Tango Toujours" zu wenig dramatisch, zu wenig explosiv sein. Mit der gleichen Sanftheit, der stets etwas wehmütigen und melancholischen Emotionalität, mit der sie zur unumstrittenen Meisterin des Musette-Walzers wurde, setzt Lydie Auvray auch den Tango in Szene. Das macht ihn zur charmanten Hintergrundmusik, beschert auch stimmungsvolle Konzertabende. Aus dem Blickfeld der musikalischen Entwicklung ist "Tango Toujours" jedoch ein Rückschritt, eine Musealisierung, weil es fraglich ist, ob man als anspruchsvolle Künstlerin den Tango heute noch so spielen kann, als hätte es Piazzolla nie gegeben. Unabhängig davon, ob man Argentinierin ist, oder Französin.

© Michael Frost, 20.09.2003

Weitere Tango-Alben:

Gotan Project, Soledad

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