Man
kennt sie als die "Mädchen von Sigur Rós", doch
dabei, soviel ist sicher, wird es nicht bleiben. Sólrún,
María, Edda und Hildur unterstützen die Band seit Beginn
ihrer Karriere im Studio und auf der Bühne, ursprünglich als
Begleiterinnen mit Streichinstrumenten, dann auch als Vorband mit eigenen
Titeln. Dazu stellen sie ein paar Computer und Synthesizer auf die Bühne,
die sie fein säuberlich mit Häkelware und Deckchen belegen,
sie lächeln freundlich, schalten den Strom ein und beginnen zu
zaubern.
Auch
"Kurr", das erste Album des isländischen Mädchenquartetts,
wohnt dieser eigenartige Zauber inne. Amiina klappern und klimpern
und klingeln kokett mit süßem Augenaufschlag, als wären
sie sich ihrer betörenden Wirkung überhaupt nicht bewusst.
"Kurr" ist benannt nach dem Klang von Vogelstimmen, wie
sie auf Island zu hören seien, sagen die jungen Frauen, und so
singen die vier dann auch - wenn überhaupt einmal gesungen wird,
denn überwiegend kommt diese berückend zarte Musik auch
ohne Stimmen aus. Statt dessen singen die Töne, in unbekannter
Sprache, und dennoch universell verständlich.
Mit
singenden Sägen, klingenden Gläsern, verliebten Geigen,
unglücklichen Blechbläsern und digitaler Raffinesse weben
Amiina einen wärmenden Teppich aus verträumt-versponnenen
Klängen, die klassische Folklore sind und gleichzeitig avantgardistisches
Experiment, einsam und vielstimmig zugleich, beruhigend und aufregend
in einem, zärtlich und sparsam instrumentiert, in ihrer Erzählkraft
aber von epischem Ausmaß. Wie all das zusammen passt? Keine
Ahnung.
Und
so bringen Amiina manchen Rezensenten bereits in schwere Erklärungsnöte,
wie jüngst einen Kollegen des Onlinemagazins
für nordische Musik, der zugeben musste, keine angemessenen
Worte zu finden und daraufhin lieber den Pressetext zitierte, der
auch nicht schlauer macht: "klingt wie ein verregnetes Foto von
Edith Piaf".
So
muss auch dieser Rezensent sich schließlich geschlagen geben
und feststellen, dass sich diese berührenden Klänge jeder
rationalen Bewertung entziehen, weil sie einen Teil der Seele berühren,
zu dem nur ganz selten jemals jemand vorzudringen vermochte.
Also
setzt man sich lieber, breitet eine Häkeldecke aus - und lässt
sich verzaubern. Sigur Rós jedenfalls seien an dieser Stelle
gewarnt. Bald schon kennt man sie vielleicht nur noch als die "Jungs
von Amiina".
©
Michael Frost, 05.10.2007