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Die dunkle Seite
des Mondes


Die Story zu "Virgin Suicides" basiert auf dem recht erfolgreichen Roman von Jeffrey Eugenides, in dem er das Leben (und Sterben) von fünf Schwestern erzählt und von den geplatzten Eltern-Träumen über die heile Familienwelt. Der Film, der Ende 2000 auch in deutschen Kinos lief, zeigte Kirsten Dunst, James Woods und Kathleen Turner in Hauptrollen. Regisseurin des Streifens ist Sofia Coppola, 1971 geborene Tochter des Großmeisters der Cineastenkunst, Francis Ford Coppola (u.a. "Der Pate", "Bram Stoker's Dracula").

Dass Sofia Coppola ausgerechnet die französischen Elektronik-Pioniere von Air um den Soundtrack bat, überrascht. "Moon safari", das Erfolgsalbum des Duos Jean-Benoit Dunckel und Nicolas Godin, ist nicht unbedingt eine Referenz für die musikalische Begleitung melodramatischer Tragödien, wie sie der Regisseurin vorschwebte. Im Gegenteil besticht "Moon safari" durch die besondere Leichtigkeit, die elektronische Musik bis dahin nur selten erreicht hatte. Fast schwerelos bewegen sich die Klänge von "Moon safari" durch Zeit und Raum.

"The Virgin Suicides", der bereits im Frühjahr veröffentlichte Soundtrack zum Film, ist deshalb auch kein zweiter Aufguss der "Moon safari" geworden, sondern passt sich in Art und Ausdruck dem Film-Thema an. Aus Leichtigkeit wurde Schwermut. Wo "Moon safari" hell und licht war, ist "The Virgin Suicides" dunkel und depressiv, also genau das Gegenteil. Trotzdem gehören beide Alben zusammen: "Moon safari" beschreibt die Reise zu dem Teil des Mondes, der der Sonne zugewandt ist - und "The Virgin Suicides" sozusagen die Rückseite.

Das bringt es mit sich, dass man den Soundtrack allein, losgelöst vom Film und dessen Handlung, eigentlich nicht verstehen kann. Viele der insgesamt dreizehn Stücke sind dafür zu sperrig und werden den Hörer enttäuschen, der einfach ein neues Air-Album erwartete. Als Filmmusik dagegen ist "The virgin suicides" ein Volltreffer. Die Stücke erinnern z.T. an altes Pink Floyd-Material, tragen aber immer die typische und unverkennbare Handschrift von Air, die mittlerweile immer häufiger auch von anderen Künstlern aufgegriffen, kopiert oder weiterentwickelt wird wie z.B. auf den neuen Alben von Madonna ("Music") und Radiohead ("Kid A").

Melodien kommen und gehen, werden hier oder dort wieder aufgegriffen und variiert, bis man nicht mehr sicher ist, ob es immer noch das selbe Lied ist oder schon das nächste. Diese unaufdringliche Art der Verbindung von Titeln zu einem Ganzen ist für die populäre Musik im neuen Jahrhundert vielleicht richtungsweisend. Zwar gibt es auf "The Virgin Suicides" noch das einzelne "Lied" in verdaubaren 2-4-Minuten-Happen, aber ein Titel allein hört sich, wie übrigens auch auf Radioheads "Kid A" recht isoliert an und verlangt nach der Umgebung der anderen Titel, um seine volle Klangwirkung entfalten zu können.

Und vor allem verlangen die Titel den Film, um sich richtig in Szene setzen und ihre wahre Bedeutung erlangen zu können: Die Musik verstärkt Handlung, Stimmung und Aussage des Films. Und das genau ist doch die Aufgabe einer Filmmusik, und deshalb ist das Album der perfekte Soundtrack: die Musik zum Film.

AG / 18. November 2000
Update: 11. September 2001

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