Wenn
zwei Musiker wie Saad Thamir und Bassem Hawar gemeinsam ein Album veröffentlichen,
das sie "Between Rivers" nennen, dann denkt man zwangsläufig
an ihre Herkunft aus dem Irak, dem "Zweistromland" an Euphrat
und Tigris, und ganz unbeabsichtigt ist die Assoziation sicherlich nicht.
Thamir
ist Percussionist, Hawar spielt die "Djoze", die Kniegeige,
deren schriller Ton oft verstörend wirkt, geheimnisvoll und aufrüttelnd,
und gemeinsam mit den sparsamen, pointiert gesetzten Percussions steigern
die Musiker die Spannung bis weilen ins Unermessliche, und sie zerren
an den Nerven ihrer Zuhörer.
Dennoch:
Einer der beiden Flüsse könnte auch der Rhein sein. Denn
Thamir und Hawar taten sich mit zwei weiteren Musikern zusammen: Free
Desmyter, einem Jazz-Pianisten aus Belgien, und dem Kölner Kontrabassisten
Dietmar Fuhr. Auch sie folgen dem reduzierten Klangkonzept des Albums,
das seine besondere Magie und Atmosphäre aus der Stille zwischen
den Tönen zu beziehen scheint.
Nur
selten, etwa in dem schnellen "Raques" (so das arabische
Wort für "Tanz") findet das Quartett zusammen, einigen
sich Geige, Klavier, Bass und Percussions auf eine gemeinsame Melodieführung
und einen durchgängigen Rhythmus. Doch schon kurz darauf treiben
die Instrumente wieder auseinander und schaffen so Platz für
die besonders meditativen Augenblicke, in denen Saad Thamir mit bedächtigem,
in sich versunkenem Timbre die Stimme erhebt ("Nadam").
"Ahoar"
ist ein überraschendes, herausforderndes Projekt, weil es den
Gewohnheiten sowohl traditioneller arabischer Musik als auch des Jazz
zuwiderläuft, statt dessen aber eine neue Perspektive eröffnet.
Das Quartett wurde für diese neue Art der Weltmusik bereits mit
dem Musikpreis "creole" ausgezeichnet. Der Begründung
der Jury für die Preisvergabe ist nichts hinzuzufügen: "Der
Verbindung von westlichem Jazz und der Musik des Irak, der Erschaffung
einer neuen Sprache, den mit großer Hingabe spielenden Musiker
in ihrer berührenden und bewegenden Performance zollen wir Respekt."
©
Michael Frost, 18.11.2007