Hauptsache: Global
Ellipsis Arts eröffnet
"World Spirit"-Reihe

von Michael Frost


Die Sampler des New Yorker Labels Putumayo sind legendär. Kaum eine Region auf diesem Planeten, die von den Putumayo-"Kompilierern" noch nicht entdeckt worden wären, kaum ein Stil, der noch nicht auf wenigstens einer der kunstvoll gestalteten Compilations gebührend gewürdigt worden wäre.

Doch jetzt bekommt Putumayo Konkurrenz. In nicht minder charakteristischer Optik und vergleichbar hohem Anspruch stellte jüngst das ebenfalls renommierte Label Ellipsis Arts seine Serie "World Spirit" vor. Jeff Charno, Chef der Plattenfirma zur Motivation der neuen Reihe: "Mittlerweile gibt es nach regionalen oder kontinentalen Gesichtspunkten zusammengestellte Kopplungen wie Sand am Meer; dieses Feld haben wir als eines der ersten Unternehmen mitgestaltet. Es bereitet heute niemandem mehr große Schwierigkeiten sich über die Musik eines bestimmten Teils der Welt zu informieren. Wir fanden es daher interessant/er, uns der Frage zu widmen, wie bestimmte Inhalte in den verschiedenen Kulturkreisen aufbereitet und umgesetzt werden."

Bereits die ersten beiden Alben markieren die Eckpfosten des Terrains, in dem sich "World Spirit" künftig bewegen will: Während "Feet" die Welt zwischen Istanbul und San Francisco in ausgelassener Partystimmung vereinen will, präsentiert sich "Protest" als Hommage an das politische Lied. Während hier also vor allem das gesellschaftspolitische Bewusstsein Musikinteressierter angesprochen wird, zielt "Feet" direkt auf die Tanzfläche ab. Die Lieder gehen fast nahtlos ineinander über, zwischen den einzelnen Tracks existieren kaum Brüche, und wer es bis dato noch nicht wusste, kann durch die Compilation lernen, dass es auf der ganzen Welt anspruchsvolle Tanzmusik gibt, die sich in Rhythmus, Gesang und Instrumentierung unterscheiden mag, nicht jedoch in Bezug auf ihre Dancefloor-Tauglichkeit.

 

Brasilianischer Beitrag auf "Feet": Bossacucanova

Ägyptischer Dancefloor: Natacha Atlas

 

FEET - A Global Dance Party
Ellipsis Arts CD 1010

www.ellipsisarts.com

01. Tiempo libre: El guanajo relleno
02. Shabaz: Lagian
03. Ojos de Brujo: Ventilaor R-80
04 Bossacucanova: Telefone
05. Skilda: Airfailarin
06. Turkish Delight: Oh de
07. Beau Jocque: Give him cornbread
08. Hassan Erraji: Nikriz
09. Mac Umba: Glenmambo
10. Soukous Stars: Sinovela
11. Natacha Atlas: Amulet
12. Qwii Music Arts' Trust Khoi San Music: Xlao Tshao
13. Africando: Yaye Boy


Tri Yann: Bretonen erinnern an ermordeten Blauhelm-Soldaten in Ex-Jugoslawien
 
PROTEST - Songs of Struggle and Resistence from around the world
Ellipsis Arts CD 1000
www.ellipsisarts.com

01. Baaziz: God bless(e) America
02. Gary Nesta Pine: Fighting for the right thing
03. Pierre Akendengue: Eleke
04. Larry Kirwan: Bobby Sands
05: Tri Yann: La geste de Sarajevo
06. Christine Brebes: Te recuerdo Amanda
07. Marcel Khalife: Speak up
08. Mzwakhe Mbuli: Ndimbeleni
09. Kafala Brothers: Renuncia impossivel
10. Chava Albertein: Chad Gadya
11. Barbara Dane: The Kent State Massacre
12. Stella Chiweshe: Paite rima
13. Robin Williamson: Cold days of February
14. Papa Wemba: Esclave
15. Pete Seeger: Waist deep in the big muddy


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Ob nun schottisch (Mac Umba), ägyptisch (Natacha Atlas), senegalesisch (Africando) oder brasilianisch (Bossacucanova) - Mit "Feet" kann man eigentlich nichts falsch machen, die Compilation gewährt jedoch auch nicht sehr viele neue Einsichten. Das zu allgemeine Motto setzt sich zwangsläufig dem Vorwurf der Beliebigkeit aus, allerdings muss den Machern zu Gute gehalten werden, dass es ein völlig unrealistisches Unterfangen wäre, auf einer CD mit dreizehn Titeln auch nur ansatzweise einen repräsentativen Querschnitt vorweisen zu können.

Anders verhält es sich da mit dem "Protest"-Sampler. Dieser macht nämlich eine grenz- und kontinentüberschreitende Problematik deutlich, die normalerweise nicht so ohne Weiteres ersichtlich wäre. Doch dieser Compilation gelingt es, einen deutlich erkennbaren roten Faden von der Kritik des Algeriers Baâziz am US-Kulturimperialismus bis zu Papa Wembas Aufarbeitung der Sklavengeschichte der Afrikaner zu ziehen.

Beiträge wie "Te recuerdo Amanda", eine Komposition des chilenischen Dichters Victor Jara, der 1973 Opfer des Pinochet-Putsches wurde oder "La geste de Sarajevo" der bretonischen Kult-Band Tri Yann verdeutlichen, dass Menschen, die sich mit Worten oder Taten gegen Gewalt, Unrecht und Unterdrückung stellen, auch heute noch mit Leib und Leben bedroht sind: sei es nun durch internationale Verflechtungen von Geheimdiensten und korrupten Militärs oder durch fanatische Fundamentalisten.

"Protest" wird wiederum nicht den Anspruch von Repräsentativität erheben können, aber es gelingt den CD-Machern, ein Thema anzureißen und glaubwürdig darzustellen, das abseits politischer Schwarzweiß-Malerei den Stellenwert von Musik und Kunst bei der Überwindung politischer Verwerfungen unterstreicht. Gelingt es, diesen Anspruch auch auf weitere Compilations zu übertragen, darf man auf die kommenden "World Spirit"-Veröffentlichungen gespannt sein.

© Michael Frost, 19. November 2004

 



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