Ein Traum-arbeiter,
der für Kafka schwärmt

Interview bei 'Rock im Park'
von Stephan Stöckel

ADAM GREEN
gibt Einblick in seine Gedankenwelt



Einst lief er im Robin Hood-Kostüm durch die Straßen New Yorks, schrieb mit seiner Partnerin Kimya Dawson, die sich als Hase verkleidete, schräge Folksongs über Drogen und ihre als Moloch empfundene Heimatstadt ("NY's Like A Graveyard"), die zu Hause unter einfachsten Bedingungen aufgenommen wurden. Diese Zeiten sind für Adam Green, dem derzeitigen Senkrechtstarter unter den Liedermachern längst passe. Der skurrile, leicht anzügliche und kritische Ton ist geblieben, doch der Sound des heute 23-jährigen klingt edler als noch zu Zeiten seiner Band "Moldy Peaches". Zudem ist der Amerikaner, der sich seit neuestem auch als Literat betätigt, vom Kultobjekt der Underground-Szene zum Liebling der Feuilletonredaktionen sowie der alten und jungen Popfans avanciert. Bei "Rock im Park" in Nürnberg erteilte der "Traumarbeiter", wie ihn die "Zeit" titulierte, Mitarbeiter Stephan Stöckel, eine Lektion, (man höre und staune!) im Jodeln. Obgleich er etwas lustlos wirkte, gewährte er dennoch einen interessanten Einblick in seine Gedankenwelt. Seine Reflexionen kreisten dabei auch um Franz Kafka, dem berühmten deutschsprachigen Dichter, mit dem seine Urgroßmutter Felice Bauer einst befreundet war.

Vor allem in Deutschland wurde ein großer Rummel um Dein neues Album "Gemstones" veranstaltet. In vielen Tageszeitungen und Magazinen konnte man Artikel über Dich lesen, auch in so mancher Fernsehsendung warst Du ein gerngesehener Gast. Wie gehst Du mit dem Stress um?

Adam: Ich lasse mich von dem ganzen Rummel nicht beeinflussen. Ich widme mich weiterhin dem Schreiben von Songs und dem Aufnehmen von Alben. Auch den Kontakt zu meinen Freunden versuche ich, so weit es geht, beizubehalten.

Die Kulturseiten renommierter Tageszeitungen meiden zumeist Rock- und Popstars wie der Teufel das Weihwasser. In Deinem Fall machen sie eine Ausnahme. Fühlt man sich als ehemaliger Underground-Star dadurch geadelt?

Adam: Ich betrachte mich weniger als Rockstar, sondern vielmehr als Folkstar. Geadelt klingt vielleicht etwas zu hoch gegriffen: Ich würde sagen: Ich fühle mich geehrt, in solch angesehenen Zeitungen zu erscheinen. Ich hätte mir nie im Leben träumen lassen, einmal dort etwas über mich zu lesen oder Journalisten Interviews zu geben. Ich hatte ja nie einen richtigen Job, arbeitete in einer Pizzeria und dachte eigentlich schon, dass aus meinem Leben nie etwas wird. Autodidaktisch brachte ich mir verschiedene musikalische Sachen bei: Wie man jodelt lernte ich zum Beispiel beim Hören der Band "Sly & The Family Stone". Auf ihrem berühmten Album "There Is A Riot Goin' On'" gibt es den Song "Space Cowboy", in dem gejodelt wird. Immer und immer wieder hörte ich mir das Teil an, ahmte die Gesangstechnik nach und plötzlich hatte ich den Dreh raus, wie man richtig jodelt. (fängt an zu jodeln).

Kompliment, du kannst ja richtig gut jodeln! Wie kommt es, dass Du vor allem in Deutschland so populär bist? Verfügen die Deutschen über einen besonderen Sinn für Deine Texte und Deine Musik?

Adam: Wie Denkst Du darüber?

Ich bin überrascht. Dass so etwas in England, dem Mutterland des Pop passiert, wäre für mich nichts ungewöhnliches gewesen, aber in Deutschland…

Adam: Mir ging es genauso. Vielleicht liegt es an den Medien, die sich geradezu euphorisch auf meine Texte gestürzt haben und hier in Deutschland eine liberalere Einstellung haben als zum Beispiel in meinem Heimatland Amerika, wo man Texte etwas kritischer unter die Lupe nimmt. Möglicherweise war ich auch zur rechten Zeit am rechten Ort. Ich tourte viel durch Deutschland. Die Leute hörten meine Lieder und spürten, dass sie sich darin wieder finden konnten. In Großbritannien hingegen wurde meine Persönlichkeit nicht so sehr in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt, als das hier in Deutschland der Fall war.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Soeben wurde unter dem Titel "Magazine" ein Gedichtband von Dir veröffentlicht. Was liegt Dir mehr: Das Verfassen von Gedichten oder das Schreiben von Songs?

Adam: Ich bin froh darüber, dass ich auswählen kann. Beides bereitet mir sehr viel Spaß. Beide Dinge sind jedoch sehr verschieden. Beim Songschreiben geht es darum, sich Gedanken über die Worte und die Musik zu machen, die eine Art Ehe miteinander eingehen. Beim Schreiben von Gedichten, denkt man nicht darüber nach, wie ein Wort beim Singen wirkt. Es geht nur um Gedanken und Ideen, die mir in meinem Kopf herumschwirren. Gedichte aus meinem Buch würde ich nie laut vorsingen. Einen Song vorzutragen, empfinde ich eher wie eine Rede an ein bestimmtes Publikum.

Viele Leute, vor allem Kritiker stürzen sich auf Deine mitunter anstößigen Texte und lassen Deine Musik links liegen. Wie denkst Du darüber?

Adam: Ich empfinde dieses Verhalten geradezu lächerlich. Die Musik ist mir genauso wichtig wie die Texte. Seit meiner zweiten CD "Friends Of Mine" denken alle, mir ginge es nur um meine Texte. Zweifelsohne nehmen meine Worte den Zuhörer mit auf eine gedankliche Reise, aber ich versuche auch, ihn durch die Musik anzusprechen.

Hast Du keine Angst, mit Deinen Texten andere Leute zu verletzten?

Adam: Nein. Wenn jemand mit mir über meine Texte diskutieren möchte, dann bin ich gerne dazu bereit. Ich stehe zu dem, was ich getextet habe. Es gab sogar Kritiker, die anfänglich bitterböse Artikel über die Texte meiner Songs geschrieben hatten. Inzwischen, nachdem sie sich intensiver mit meiner Lyrik auseinandergesetzt hatten, erkannten sie, dass sie einen Fehler begangen hatten. Man sollte nicht vorschnell, sondern immer nur mit Bedacht urteilen.

Den Lo-Fi-Character, den Deine ehemalige Band "The Moldy Peaches" versprühte, findet man auf Deinen Solo-Alben so gut wie kaum mehr. Handelt es sich dabei um eine natürliche Entwicklung oder war das ganze von Dir genau geplant?

Adam: Eine natürliche Entwicklung würde ich sagen. Alles was ich mache, kommt aus dem Innersten meines Herzens. Die ersten Stücke mit den "Moldy Peaches" wurden unter einfachsten Bedingungen zu Hause aufgenommen. Damals wusste ich nicht, wie man richtig singt und hatte auch noch keinerlei Bühnenerfahrung. Das ist heute ganz anders. Wenn ich eine Platte aufnehme, dann spiegelt sich darin meine momentane Stimmungslage wieder. Es ist nicht mein Verlangen, immer ein bestimmtes Niveau zu halten. Selbstverständlich habe ich heute ein musikalische höheres Niveau erreicht als mit 14 Jahren, als ich meine ersten musikalischen Gehversuche machte. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre habe ich versucht, mein Niveau zu heben. Selbstverständlich könnte ich mir vorstellen, auch wieder zu einfacheren Strukturen zurückzukehren. Das nächste Album wird aber noch den gewohnten Adam Green-Sound präsentieren, den meine Fans derzeit so lieben.

Deine Urgroßmutter, Felice Bauer, pflegte einen regen Schriftverkehr mit einem der wohl größten deutschsprachigen Dichter aller Zeiten, Franz Kafka. Wie denkst Du darüber?

Adam: Ich besitze einige dieser Briefe. Für jemanden wie mich, dessen Urgroßmutter mit Kafka befreundet war, war es schon ein sehr verrücktes Gefühl sich mit Kafka in der Schule auseinanderzusetzen. Ich identifiziere mich mit Kafkas Ansichten. Er hat die gleichen Sachen gemacht, die mich auch interessieren. Bei ihm prallen die verschiedensten Gefühlslagen aufeinander in einer einzigen Geschichte. Wenn man eine Kurzgeschichte wie einen Song betrachtet, dann steht da neben einem romantischen Teil ein sehr tragischer und neben etwas sehr Satirischem etwas sehr Politisches. Er glaubte daran, dass diese Gefühle alle glücklich unter einem Dach leben könnten, wie eine Familie. Kürzlich wandelte ich in Berlin auf den Spuren meiner Vorfahren. Ich besuchte die in Kafkas Tagebuch verzeichneten Orte, die er gemeinsam mit meiner Urgroßmutter besuchte. Und selbstverständlich auch die Stätten, an denen früher meiner Familie lebte. Ich besuchte das Haus, wo mein Großvater einst lebte. Viele Gebäude existieren leider nicht mehr. Meine Familie war jüdisch. Aus Angst vor den Nazis wanderten sie über die Schweiz nach Amerika aus.

Was wird Dir die Zukunft bringen, Adam?

Adam: Vielleicht fliege ich ja mit meiner eigenen Fluglinie über Mexiko… Spaß beiseite. Ich denke nicht darüber nach, was die kommenden Monate für mich bringen. Ich bin vielmehr im Jetzt verwurzelt. Momentan bin ich damit beschäftigt, neue Songs für das nächste Album zu schreiben, das voraussichtlich Anfang nächsten Jahres erscheinen wird.

© Stephan Stöckel, Juni 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fotos
oben: © Stephan Stöckel
Mitte, unten: © Rough Trade Records

 




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