"Singen um zu überleben"
Das Ensemble Brave Old World
dokumentiert die Lieder des jüdischen Ghettos von Lodz


"Singing for survival" - Singen um zu überleben - lautet der Titel eines Buches, in dem Musikethnologin Gila Flam der Musik des jüdischen Ghettos von Lodz sammelte. In Israel und den USA hatte sie Überlebende des Ghettos getroffen und deren Erinnerungen dokumentiert. Ihr Antrieb: Gila Flams Vater war selbst einer Internierten von Lodz, und einige der wichtigsten Zeitzeugen, die ihr Informationen lieferten, stammten aus ihrer eigenen Familie.

Sie und andere berichteten ihr u.a. von Yankele Herszkowicz, der als populärster Volkssänger des Lodzer Ghettos galt. "Während seiner Darbietungen, die er meist auf einer Holzkiste stehend absolvierte, sammelten sich die Menschen um den Sänger, klatschten den Takt und sangen die bekannten Refrains der Gesänge mit." (Pressetext). Da es sich bei den meisten Stücken um Adaptionen bekannter jiddischer und polnischer Volkslieder handelte, waren den Menschen die Melodien vertraut.


Es war der jüdisch-amerikanischen Musikergruppe "Brave old world" vorbehalten, den von Gila Flam aufgedeckten Spuren zu folgen und die Lieder des Lodzer Ghettos nun erstmals seit Europas Befreiung vom Nationalsozialismus zur Aufführung zu bringen. Das Ensemble mit seinem musikalischen Leiter Alan Bern (Tasten), Michael Alpert (Gesang, Fidel, Percussion, Gitarre), Kurt Bjorling (Klarinette) und Stuart Brotman (Bass, Cello, Cymbalom, Posaune, Fidel) leistet damit ein wichtiges Stück der Erinnerungsarbeit. "Dus gezang fin Geto Lodzh" erzählt die Historie einmal nicht entlang ihrer nüchternen Fakten, sondern durch die Musik und ihre Texte.


Brave Old World: Kurt Bjorling, Michael Alpert, Stuart Brotman und Alan Bern (v.l.)

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Die Lieder erzählen vom trostlosen Ghettoalltag und von den verzweifelten Versuchen der Ghettobewohnern, die eigene Würde zu bewahren, gegen die Angst anzukämpfen und auch angesichts des grausamen Terrors der deutschen Gewaltherrschaft den Lebensmut nicht zu verlieren und sich die Hoffnung auf Rettung zu bewahren.

Die bei "Winter & Winter" erschienene, aufwändig gestaltete Ausgabe von "Dus gezang fin Geto Lodzh" ("Song of the Lodz Ghetto") enthält neben den erläuternden Linernotes sämtliche Liedertexte in Jiddisch, Deutsch, Englisch und Hebräisch. "Makh tsi di eygelekh" (Mach zu die Äugelein)lautet der Titel eines Kinderlieds.

"Man hat uns nackt und bloß
Von unserem Haus weggejagt
In der Finsternis
Trieb man uns ins Feld
Und Sturm, Hagel, Wind
haben uns begleitet, mein Kind
Begleitet in den Abgrund der Welt."

Die Menschen, so die furchtbare Erkenntnis, haben gesungen, obwohl sie wussten, dass sie nicht überleben würden. Die meisten Bewohner des Ghettos starben in den Gaskammern der Vernichtungslager von Auchwitz-Birkenau und Chelmno oder an den Folgen der jahrelangen Zwangsarbeit. Aufgelöst wurde das Ghetto erst im August 1944 angesichts des Vorrückens der Roten Armee. Die verbliebenen 60.000 Bewohner des Ghettos wurden nach Auschwitz deportiert. Als die sowjetischen Soldaten im Januar 1945 in Lodz eintrafen, fanden sie dort nur noch 850 Überlebende vor. Im Dezember 1941 hatte das Ghetto von Lodz noch mehr als 160.000 Einwohner gezählt.

"Singen um zu überleben", das kann angesichts der unfassbaren Ausmaße des Grauens nur bedeuten, das Gedenken der Opfer zu bewahren. Die Arbeit wider das Vergessen, die dieser CD-Veröffentlichung zugrunde liegt, kann deshalb nicht hoch genug gewürdigt werden.

© Michael Frost, 23. Juli 2005

zur Internetseite der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz

Ausführliche Informationen und Dokumente zum Ghetto von Lodz veröffentlichte die Gedenkstätte im Haus der Wannseekonferenz im Rahmen einer Sonderausstellung. Per Mausklick auf das Plakat oder folgenden Link erreichen Sie die Internetseiten zu dieser Ausstellung.

link zur Ausstellung



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Brave Old World -
"Dus Gezang Fin Geto Lodzh - Song of the Lodz Ghetto"
910104-2 Winter&Winter/EDEL Classics



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