Er
ist ein Clown, ein Charmeur, ein Sänger, ein Zauberer: Herman
van Veen, 1945 geborener Allround-Entertainer aus Utrecht, auf holländischen
und deutschen Bühnen gleichermaßen zu Hause, aber auch
am Broadway oder in Paris. Seine Bilanz ist phänomenal: 120 Schallplatten
und CDs hat er seit Ende der 60er Jahre in insgesamt fünf Sprachen
aufgenommen, 50 allein auf Deutsch.
"Ich
hab' ein zärtliches Gefühl" heißt einer seiner
frühen Erfolge, eine Ode an die Emotionalität, ein Plädoyer
für das Lachen, das Weinen, die Liebe. Das Gegenstück: "Weg
da", eine ironische Abrechnung mit der Rush-Hour und der rücksichtslosen
Hektik der Moderne - und Erkennungslied seiner ersten furiosen TV-Kinderserie
aus den 70ern: "Die wundersamen Abenteuer des Herman van Veen".
Später folgte nach seinem erfolgreichen Bühnenmusical die
Zeichentrickserie mit der Ente "Alfred Jodocus Kwak".
Herman
van Veen, der Zauberer. Ob er Erwachsene verzaubert oder Kinder, spielt
für ihn keine Rolle, es gelingt ihm mit allen Gruppen gleichermaßen.
In seinen Konzerten, die eigentlich ein buntes Varietéprogramm
aus Liedern, Sketchen, Improvisationstheater, Pantomime, kleinen Kunststückchen
und vielen, vielen Geschichten sind, sitzen alle Generationen einträchtig
und gebannt nebeneinander. Gekonnt schickt er sein Publikum ohne Rücksicht
auf Gefahr des Lachers an der falschen Stelle auf eine Achterbahn
der Gefühle: sich totlachen und todtraurig sein folgen in kaum
wahrnehmbaren Wechsel - und immer direkt und gezielt, manchmal brutal,
aufeinander.
Aber
nicht nur sein Humor, auch seine Musik "plitschert" und
"plätschert" nicht immer so freundlich und friedlich
daher, wie es van Veens Softie-Image manchmal vermittelt. "Wenn's
nun anders ausgegangen wär'", einer seiner beeindruckendsten
Titel, ist eine bittere und ernste Auseinandersetzung mit der Frage,
wie Europa ausähe, hätte Nazi-Deutschland den 2. Weltkrieg
nicht verloren. Van Veen zeichnet hier in verdichteten drei bis vier
Minuten ein entsetzliches Szenario, eine beklemmende Mahnung wider
das Vergessen und Verdrängen.
Musikalisch
ist der Chanson sein bevorzugtes Metier. Verbeugungen vor der frankophonen
Kultur gibt es bei ihm reichlich: "Und er geht und er singt"
- nach einem Chanson von Jacques Brel, oder "Edith Piaf",
eine Hommage an die Legende aus Paris. In dem Lied erzählt van
Veen von dem nachhaltigen Eindruck, den ihre Lieder bei ihm hinterließen
("Und Mutter stellte den Staubsauger ab, denn im Radio sang Edith,
Edith Piaf ...").
Spielend
erreicht er mit vielen seiner Lieder die gleiche Aufmerksamkeit. Allein:
das Radioprogramm hat sich geändert und trotz seiner zahllosen
Plattenerfolge ist er vor allem ein Bühnenmusiker, der sich seit
Beginn seiner Karriere auf einer niemals endenden Tournee befindet.
Mühelos füllt er die Theatersäle der Großstädte
gleich über mehrere Abende, und das seit Jahrzehnten:
Herman
van Veen war in den 70er und 80er Jahre einer der bedeutendsten Vertreter
der europäischen Liedermacher-Szene. Politische Bekenntnisse
und Aufrufe waren damals fester Bestandteil seines Programms - und
gewissermaßen sind sie es noch heute. Seine Auftritte verlässt
man verändert, als besserer Mensch und voller Vorsätze.
Gesellschaftliches
Engagement ist untrennbarer Bestandteil seines künstlerischen
Wirkens: Als Mitbegründer der internationalen Hilfsorganisation
"Colombine" hat er sich der Entwicklungshilfe für Kinder
in den Ländern der so genannten "3. Welt" verschrieben.
Mehrfach ist er in den Niederlanden für sein Engagement ausgezeichnet
worden, und in Deutschland erhielt er für seinen Beitrag zu den
deutsch-niederländischen Beziehungen das Bundesverdienstkreuz,
aber auch die "Goldene Kamera" und den Silbernen Bären
bei den Berliner Filmfestspielen.
Andererseits
überzeugt er mit leichten Liebesliedern, die, weil wir es aus
der deutschsprachigen Musik lange gar nicht anders kannten, vorschnell
oft zu "Schlagern" deklariert wurden, in Wahrheit aber nichts
anderes sind als der Versuch, den Chanson als anspruchsvolle Unterhaltungsmusik
auch in Deutschland zu etablieren. Viele Lieder aus den frühen
Jahren der van Veen'schen Karriere sind heute bejubelte Klassiker
seiner Konzertprogramme ("Am Bismarck-Denkmal", "Klitschnasse
Clowns" oder:
"Weißt
du, wie wir früher abends schnell zum Baden gingen ?
Schwarz war der See und kein Mensch in der Näh'
und kaum angekommen, sind wir weit hinaus geschwommen,
wollten vor Glück
nicht
ans Ufer zurück ..."
Er
gilt als Alleinunterhalter, vor allem bei seinen unzähligen Auftritten,
doch in Wahrheit ist jedes seiner Projekte eine Produktion, an der
ein ganzer Stab von MitarbeiterInnen beteiligt ist.
Zuerst
ist da Erik van der Wurff zu nennen, van Veens Begleiter an allen
nur denkbaren Tasteninstrumenten von Beginn an, der ihm im Laufe der
Jahre seltsamerweise auch äußerlich immer ähnlicher
wurde (oder umgekehrt ?), dann Thomas Woitkewitsch, der für zahllose
deutsche Texte van Veens verantwortlich zeichnet, die weitaus mehr
sind als bloße Übersetzungen holländischer Vorlagen,
außerdem Heinz-Rudolf Kunze, Komponist und Texter zahlreicher
Lieder, sowie eine wechselnde Schar von Musikerinnen und Musikern,
angefangen vom Amsterdam Baroque Orchestra, mit dem Herman van Veen
eine hoch gelobte Platte mit Weihnachtsliedern einspielte, bis zu
seiner aktuellen Begleitung, bestehend aus Edith Leerkes (Gitarre),
Jann und Maria Paula Majoor (Geige), Wiebke Garcia (Percussion, Harfe,
Drehleier) und Thomas Dierks (Bass).
Mit
diesen erstklassigen InstrumentalistInnen hat Herman van Veen nicht
nur sein gerade erschienenes Album "Was ich dir singen wollte"
eingespielt, mit ihnen ist er auch auf Non-stop-Tour durch Deutschland.
Konzert-Programm und Album stellen diesmal den Musiker Herman van
Veen in den Vordergrund. Zwar kommen auch die komödiantischen
Elemente nicht wirklich zu kurz, doch die rhythmischen Klänge
geben den Ton an, und schon lange nicht mehr hat man Herman van Veen
als den virtuosen Geiger erleben dürfen wie auf "Was ich
dir singen wollte" und dem aktuellen Tour-Programm. Seine Begleiterinnen
scheinen ihn in Bezug auf Melodie und Rhythmus zu beflügeln.
Bereits
seit ein paar Jahren bemüht er sich hörbar um eine Anreicherung
seines Musikstils. Mit dem Rosenberg-Trio nahm er das Sinti-Jazz-inspirierte
Album "Deine Küsse sind süßer" auf, und
schon vorher entstand "Du bist die Ruh'", eine Sammlung
von Schubert-Liedern.
"Was
ich dir singen wollte" folgt dem eingeschlagenen Weg. Auf dem
Album gibt nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch einiges
zu entdecken: Kompositionen unter anderem vom Balkan, aus Flandern
und Portugal (das Lied "Robin Hood" stammt im Original von
Madredeus), Tango, Chanson, afrikanische Rhythmen - und Texte von
van Veen selbst (gewohnt souverän und sensibel von Thomas Woitkewitsch
ins Deutsche übertragen) und von Heinz Rudolf Kunze, der auch
den Album-Titel beisteuerte.
Sein
griechisch-französischer Kollege Georges Moustaki sagt über
Herman van Veen:
"Ich
erkenne in dir
die Weisheit des Hofnarren,
die Brutalität des Moralisten
während du vorgibst
nur das Ziel zu verfolgen
uns zu unterhalten"
Michael
Frost / 13.10.2001
Anmerkung:
Wir haben uns beim Zusammentragen der Informationen
für die Diskografie viel Mühe gegeben. Dennoch kann es angesichts
der unzähligen Veröffentlichungen passiert sein, dass uns
Aufnahmen fehlen oder die Veröffentlichungs-Daten u.U. nicht
korrekt angegeben sind. Solltest du über genauere Informationen
verfügen, würden wir uns über eine Mitteilung von dir
sehr freuen !
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