Was
Björk in Island, Stina Nordenstam in Schweden und Anja Garbarek
in Norwegen produzieren, gelingt Under Byen ("Unter der Stadt")
in Dänemark. Die Gruppe, die 1995 in Aarhus gegründet wurde,
hat bislang zwei Alben veröffentlicht, auf denen sie ihre eigene,
unentdeckte Klangwelt ausbreiten.
Die
Lieder, allesamt in dänischer Sprache, erzählen bizarre
Geschichten und seltsame Fantasien, so wie das Titellied ihres zweiten
Albums "Det er mig der holder træerne sammen": "Das
bin ich, der die Bäume zusammenhält // Das bin ich, der
die Herzen der Vögel in Gang hält // Das ist meine Schuld,
wenn die Autos kollidieren // Das bin ich, wenn der Wind dich unter
deiner Jacke küsst ..."
Ähnlich
verwunschen wie die Texte sind auch die Melodien des achtköpfigen
Ensembles. Geflüsterte Balladen und sphärischer Triphop
gehen unmerklich ineinander über: Henriette Sennenvaldt (Gesang),
Katrine Stochholm (Chor, Klavier, Melodica), Thorbjørn Krogshede
(Klavier), Anders Stochholm (Akkordeon, Percussion), Nils Grøndahl,
(Geige, Säge), Myrtha Wolf (Cello), Sara Saxild (Bass) und Morten
Larsen (Schlagzeug) schaffen es mit sensibler Hand, ihre vielseitigen
Instrumente in ein durchgängiges Konzept einzupassen.
Dabei
klingen die beiden bisher erschienenen Alben vor allem leise und experimentell
- so experimentell wie sonst nur die B-Seiten von Björk-Singles,
wo die Isländerin immer wieder Versuche des Zusammenwirkens ihrer
Stimme mit unterschiedlichen Instrumenten wie Kirchenorgel, Flamencogitarre
oder Harfe anstellt.
Under
Byen sind jedoch nicht nur in leisen, versponnenen Balladen heimisch.
Stücke wie "Batteri Generator" sind durchaus mit Drums
und Computersamples unterlegt, und von ihrem Debüt-Album "Kyst",
das in Schweden in Zusammenarbeit mit Stina Nordenstams Produzent
Manne von Ahm Öberg entstand, erschien sogar eine Remix-Version,
an der u.a. Thomas Knak (Opiate, Future 3) beteiligt war.
Henriette
Sennenvaldt, deren Stimme Björk in manchen Songpassagen zum Verwechseln
ähnlich wird, ist eine Meisterin verschroben introvertierter
Intonation. Wie in Trance wandelt ihr Gesang zwischen kindlicher Naivität,
hintergründiger Morbidität und verträumter Melancholie,
hinterlässt jedoch immer wenigstens eine Ahnung von der versteckten
Kraft, die in ihrer Stimme schlummert.
So
schwingt in dieser Musik immer etwas Mysteriöses, Ungesagtes,
Ungehörtes mit, gerade so, als gäbe es hinter den Liedern
noch eine zweite, heimliche Komposition, etwas, das sich langsam und
unbewusst über den Zuhörenden ausbreitet, sie einlullt und
verzaubert. "Hun taler med englene" heißt es in "Vinterbørn",
als sollte damit die Musik von Under Byen zusammenfassend beschrieben
werden: "Sie spricht mit den Engeln".
©
Michael Frost, 01. Februar 2004