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Dokumente einer
einzigartigen Kultur


Die Tradition der Tenor-Chöre in Sardinien ist an die tausend Jahre alt. Es gibt diese einzigartigen Vokalgruppen in vielen sardischen Orten. Die "Tenores di Neoneli" sind also längst nicht die einzigen Vertreter dieser einst vom Aussterben bedrohten Kultur.

Seit einigen Jahren haben sich wieder vermehrt Einheimische und fremde Musiker der alten Traditionen erinnert und den Chorgesang zu neuem Leben verholfen. In Italien hat dabei Elio, Kopf der originellen Popformation "Elio e le storie tese", die auch schon eine überraschend erfolgreiche Single mit einem bulgarischen Frauenchor augenommen hat, einen großen Anteil. Mittlerweile gilt Elio dem Quartett der Tenöre von Neoneli als fünftes Mitglied.

Der sardische Ort Orgosolo gilt als Ursprungsstätte der Renaissance des Chorgesangs. Dort entstanden in den 1960er Jahren die ersten Chöre. Und Sardinien wäre nicht Sardinien, wenn die aufkeimende Chor-Kultur nicht einen politischen Charakter hätte: Die armen Inselbewohner fühlen sich seit jeher von der italienischen Zentralregierung einerseits gegängelt, andererseits vernachlässigt, und wehren sich immer wieder gegen allzu rigide Vorschriften.

Orgosolo gilt als eines der Zentren einer Regionalkultur, die bewusst anarchistische Züge trägt. Zahlreiche und liebevoll gepflegte Wandmalereien, genannt "murales", zeugen vom Aufbegehren der Einwohner und ihrem Protest gegen unfähige Bürokraten und Politiker.

Also singen auch die Tenores di Neoneli nicht von Herz & Schmerz, sondern von teilweise bitterer gesellschaftlicher Realität. Neben historischen Liedern, die sie interpretieren, texten sie auch selbst. Ihre Stücke, sagen sie, "handeln von der Umwelt und der Emigration, Drogen und Ghettoisierung, Brandstiftern, der Zerstörung unserer Strände und der Anklage von Machtmissbrauch, von Frieden und Gewalt, Alter, Liebe und der Schönheit der Natur."

Die Lieder werden sowohl von traditionellen sardischen Instrumenten (launeddas, trunfa, Hirtenpfeife, Maultrommel) als auch von modernen (als solche gelten Gitarre, Mandoline, Banjo und Percussions) Instrumenten begleitet.

Die musikalische Offenheit bescherte den Tenores diverse spannende Kooperationen, so u.a. mit den norwegischen Jazz-Musikern Töre Brunborg und Arild Andersen sowie dem in Oslo lebenden italienischen Percussionisten Paolo Vinaccia, der das Projekt "'Mbara Boom" initiierte, als er durch Zufall eine CD des Chors hörte.

Die besondere, einzigartige Gesangstechnik besticht und fasziniert. Heute gehört der Chorgesang sardischer Tenöre, auch dank der Tenores di Neoneli, fest zur Identität der Insel und trägt dazu bei, ihren kulturellen Reichtum über die Grenzen Italiens hinaus bekannt zu machen.

Das jüngste Projekt der Tenores di Neoneli nennt sich "Barones". Nachdem es 1998 zusammen mit Elio e le storie tese, Francesco Guccini und Francesco Baccini live in San Remo vorgestellt wurde, erschien mittlerweile eine CD mit diversen Aufnahmen, an denen zusätzlich der Cantautore Angelo Branduardi und Rock-Star Luciano Ligabue beteiligt sind.

MF / 28. Juli 2001

 

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