Portugal ist eines der wenigen Länder, das noch niemals den Eurovision Song Contest gewann. Immerhin: Sara Tavares war 1994 mit ihrem achten Platz so weit vorn wie nur wenige ihrer Landsleute vor und nach ihr. Die bescheidene Ausbeute liegt dabei weniger an der Qualität der Beiträge als vielmehr an der Besonderheit portugiesischer Musiktradition, die sich vom Rest Europas deutlich unterscheidet. Die Folklore des Alentejo, der Fado Lissabons, die Musik der Einwanderer aus den alten Kolonien, aus Angola, Mosambik, den Kapverdischen Inseln und Brasilien, all diese Einflüsse finden sich nirgendwo sonst, und schon gar nicht als Mischung - und am allerwenigsten mit der sehr portugiesischen Neigung zur Melancholie, zur Sehnsucht - zur "saudade".
In dieser Hinsicht ist Sara Tavares eine typische Portugiesin. Ihre Eltern kamen einst von den Kapverden nach Lissabon. Dort wuchs Sara unter schwierigen Bedingungen auf, und dort begann sie auch ihre musikalische Karriere. Als sie Portugal beim "Grand Prix d'Eurovision de la Chanson" vertrat, war sie gerade erst 16 Jahre jung. Inzwischen ist sie folglich 30, und ihre Ausstrahlung mag zwar reifer, aber kaum älter geworden sein; sie hat sich ihren jugendlichen Charme und Esprit bewahrt.
Samtweich, elegant und sinnlich ist ihr Timbre. Ihre Lieder, in denen neben ihrer Stimme die Akustikgitarre und Percussions die Hauptrolle spielen, sind leise Balladen, die sie, sänge sie nicht auf Portugiesisch, Kreolisch und einem angolanischen Slang, wohl zur Vertreterin des "Singer/Songwriter"-Genres machen würde. Doch natürlich will Sara Tavares ihre Herkunft nicht leugnen, und so schwingt die Tradition immer mit, auch wenn die Sängerin weder dem kapverdischen Stil einer Cesaria Evora, noch afrikanischer Rhythmik, brasilianischer Bossanova oder gar dem Fado Vorzug einräumen würde.
Einzelne Bestandteile lassen sich zwar ausmachen, doch Sara Tavares' Erfolg besteht gerade darin, sich nicht auf einen bestimmten Bereich der Weltmusik festlegen zu lassen. Im Gegenteil: Ihre Anfänge sind gekennzeichnet durch die Nähe zu Aretha Franklin und Whitney Houston, ihre damaligen Vorbilder. Erst die Begebnung mit Lokua Kanza, der sie fortan fördert, ändert ihre Richtung und gibt ihrem Weg ein eigenes Profil. Doch natürlich kann sie auch Gas geben: Gerade live entfacht sie ein wahres Feuerwerk aus afrikanischem Rhythmusgefühl, Wechselgesang mit dem Publikum und hypnotischen Percussions.
"Balancê" war 2006 ihr erstes Album, das auch außerhalb Portugals erschien, und mit dem Sara Tavares sich sofort einen Namen machte. Ihre internationale Plattenfirma, das profilierte Weltmusik-Label "World Connection", bei dem u.a. auch ihre Kollegin Mariza ihre ersten Alben veröffentlichen konnte, investiert nun gezielt - und vollkommen zu Recht - in Sara Tavares' internationale Karriere: Unter dem Titel "Alive in Lisboa" erscheint nun der Mitschnitt eines temperamentvollen Konzerts, das die Sängerin im März 2007 in Lissabon gab, gemeinsam mit ihren beiden wichtigsten CDs: das bereits erwähnte "Balancê" von 2006, sowie "Mi ma bô", das im Jahr 2000 von Lokua Kanza produzierte und außerhalb Portugals unveröffentlichte Album.