Das Schicksal von Frauen, die in der patriachalen Gesellschaft ihre Selbstständigkeit im Moment ihrer Heirat verlieren - oder schon vorher, indem sie zur Heirat gezwungen werden, das Leiden der Soninké, einem halb-nomadischen Volk von Hirten, das im Grenzgebiet zwischen Mali und Mauretanien lebt, die Erzählungen der Griots, der Überlieferer von Geschichte(n) und Neuigkeiten - für Oumou Sangaré sind diese Menschen, über die sie auf ihrem sehr traditionellen, sehr rhythmischen und sehr eleganten Album "Seya" singt, fester Bestandteil ihrer Welt.
Es geht um die Dankbarkeit Gott gegenüber, wenn er einem gute Kinder schenkte, den Respekt vor den Reichtümern der Natur, dem Nachbarn, den Fremden, und die Musik, die uns überall begleitet - der zweite Strang der Musik von Oumou Sangare betrifft die Grundlagen des Lebens, einfache Weisheiten, verpackt in Symbole und Metaphern, häufig genug aber auch in klaren Worten formuliert. Sowohl inhaltlich als auch musikalisch bietet Oumou Sangaré eine philosophische und dennoch allgemein verständliche Tiefe, die in der europäischen Musik weitgehend verloren ist - oder nur noch ein Schattendasein fristet.
Wie ihre nicht minder berühmten Kollegen, von denen an dieser Stelle immer wieder mal die Rede ist (zuletzt Kassé Madi Diabaté), ist auch Oumou Sangaré ganz der Funktion der Musik in der westafrikanischen Musik verpflichtet. Ihre Geschichten sind Lebenshilfe, Unterhaltung, Nachricht und politische Bewusstseinsbildung in einem.
Ihre Musik ist das Transportmittel, mit dem der Inhalt Herz, Seele und Verstand ihrer Zuhörer erreicht:
In ihr leben Rhythmus, Freude, Stolz und Gemeinschaftsgefühl, bei aller Ernsthaftigkeit.
Diese Erhabenheit verfehlt auch bei einem nicht-afrikanischen Publikum ihre Wirkung nicht. "Ihre Stimme ist fesselnd. Obwohl ich nicht verstehen kann, was sie sagt, weiß ich doch, was sie meint", - so bewundernd äußert sich beispielsweise Alicia Keys, mit der Sangaré im französischen Fernsehen gemeinsam für ein sensationelles Duett ("In and out") auf der Bühne stand.
Keys ist dabei nur eine der großen Bewunderinnen der Sängerin aus Mali, die 1989 ihr erstes Album veröffentlichte. "Seya" ist die erste CD nach einer sechsjährigen Albumpause - ein weiterer Hinweis darauf, wie bedachtvoll Oumou Sangaré mit ihren öffentlichen Auftritten umgeht. Umso durchschlagender die Wirkung, wenn sie sich schließlich zu Wort meldet.