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Kunststück eines
Geniestreichs


Es war ein herausragendes Debüt, das Susheela Raman vor zwei Jahren, im Frühjahr 2001, mit ihrem Album "Salt Rain" ablieferte. In ihr schienen die kulturellen Traditionen Europas, Nordamerikas und Australiens einerseits mit der Musik Indiens und Sri Lankas andererseits mühelos zu fusionieren. Was Susheela Raman präsentierte, ging weit über das übliche Maß dessen hinaus, was unter dem Etikett "Weltmusik" zu erwarten gewesen wäre. Selbst so ungewöhnliche Klassiker wie die des "Python's Song" aus dem "Dschungelbuch" adaptierte sie in formvollendeter Weise.

Ihr treffsicheres Gespür für Stimmungen und Atmosphäre sind jedoch nur die eine Seite ihres Könnens. Der Rest gelingt ihr mit dem Gesang, der in Hollywood und Bollywood gleichermaßen heimisch ist. Ob traditionelle tamilische Folklore, indische Volkslieder oder Soul, Blues und Pop - Susheela Raman beherrscht alle Stilrichtungen mit geradezu atemberaubender Selbstverständlichkeit.

Dieses Maß an Authentizität ist sicher nicht lernbar. Die verschiedenen Stile und Richtungen sind Teil der Biografie von Susheela Raman. Ihre Eltern sind indischer bzw. tamilischer Abstammung, doch geboren wurde Susheela Raman 1973 in London; aufgewachsen ist sie dann allerdings in Australien.

Dort unternahm sie ihre ersten musikalischen "Gehversuche", zunächst mit dem traditionellen Repertoire der Musik Ostindiens, doch schon bald entdeckte sie ihre Begeisterung für Funk, Soul und andere "westliche" Richtungen. Als sie als junge Erwachsene nach London kam, näherte sie sich der kreativen Szene des Asian Underground, wurde Mitglied bei "Joi", einer der wichtigsten Bands dieser Bewegung, die europäische Dance-Rhythmen mit indischer Musik verbinden wollten.

Inzwischen beweist sie, dass die Fusion von Orient und Okzident auch zu anderen Ergebnissen führen kann als beispielsweise der Dancepop eines Panjabi MC. Als Solo-Künstlerin setzt Susheela Raman gezielt auf die Mischung rhythmischer Pop- und Soulsongs, indischer Gesangstradition und meditativen Melodieläufen. Nach diesem Muster funktionierte bereits "Salt Rain", und auch "Love Trap", ihr zweites Album, schlägt diesen Weg ein.

Dabei scheint es ihr wichtig zu sein, das internationale Publikum für die ungewohnten Klänge zu "öffnen". Also beginnt sie das Album mit einem englischsprachigen Lied - dem Titelsong "Love Trap". Der Opener scheint vertraut - obwohl es sich dabei um die Adaption eines äthiopischen Liedes handelt. Tatsächlich enthält es einige Textpassagen, die alten Cole Porter-Klassikern entlehnt worden sein könnten ("Night and Day"), und der sanfte Grundrhythmus des Stücks bildet eine harmonische Grundlage für die musikalische Reise durch verschiedene Kulturen, zu der Susheela Raman einlädt. Anschließend wird es mehrsprachig: Sanskrit, Telugu und Tamil - die alten Sprachen Indiens und Sri Lankas. Die Lieder, die Susheela Raman für ihr zweites Album auswählte, sind zum Teil mehrere Jahrhunderte alt ("Sakhi Maro'" wurde bereits im 16. Jahrhundert gesungen) und zeugen von der langen kulturellen Blüte des indischen Subkontinents.

Das alte Material wird von ihr behutsam, aber umfänglich renoviert und erstrahlt schließlich in ungeahntem Glanz. Zutaten: Flamenco, afrikanische Vocals, mongolischer Kehlkopfgesang - und eine Hommage an die große Liedermacherin Joan Armatrading ("Save Me") - das Repertoire von Susheela Raman ist vielfältig - und trotzdem nie beliebig.

Ein Mosaikteilchen ihres Sounds, den sie - wie schon bei "Salt Rain" gemeinsam mit ihrem Partner und Produzenten Sam Mills entwickelte - fügt sich zum anderen. Ergänzt um eine Vielzahl von Instrumenten aus aller Herren Länder (u.a. Bouzouki, Tablas, Klarinette, Congas, Pferdekopfgeige, Hawaigitarre) ergibt sich aus all diesen Details ein in allen Farben strahlendes Gesamtkunstwerk, das trotz seines Reichtums niemals überladen oder zu dick aufgetragen wirkt.

Ohne Zweifel ist Susheela Raman mit "Love Trap" zum wiederholten Mal das Kunstück eines Geniestreichs gelungen. Kaum aufmerksamer und neugieriger Zuhörer, der ihr nicht in die Falle gehen wird.

© Michael Frost, 10.07.2003

 

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