Zwei
Musiker verursachten in den 90er Jahren großen Wirbel, als sie
in aller Öffentlichkeit gegen ihre Plattenfirmen zu Felde zogen.
George Michael war der eine, Prince der andere. Jahre nach den Auseinandersetzungen
haben offenbar beide ihren Frieden mit den Gegnern von einst gemacht:
George Michael veröffentlichte jüngst sein erstes Album seit
Jahren, und nun steht auch Prince mit einer neuen CD in den Startlöchern.
"Musicology" wird bei Sony erscheinen (VÖ am 19.04.04),
wieder einem der Major-Labels, denen er eigentlich abgeschworen hatte.
Aus Protest gegen die Bedingungen seines früheren Vertags mit Warner
Music hatte er sich den Schriftzug "Slave" sogar auf die Wange
schreiben lassen.
Gerade
Prince war mit seinem Streit bis zum Äußersten gegangen.
Selbst seinen Namen wollte er nicht mehr benutzen. Man solle ihn nach
einem Symbol nennen, ließ er wissen. Dieses Zeichen wurde daraufhin
als "Love Symbol" bekannt - doch die Fans wussten kaum noch,
unter welchem Buchstaben im Plattenregal sie Veröffentlichungen
ihres Idols zu suchen hatten. Später änderte er seinen Namen
nochmals um, diesmal in das nicht weniger kryptische Kürzel "T.A.F.K.A.P."
("The Artist formerly known als Prince" - Der Künstler,
der früher als Prince bekannt war"). Nicht nur Prince-Love
Symbol-TAFKAP selber, sondern auch die Medien kümmerten sich
über Jahre mehr um seine Namensfindung als um seine Musik - und
die verschwand aus dem Blick der Öffentlichkeit.
Dabei
galt er vielen als einer der wichtigsten und einflussreichsten Musiker
überhaupt, nicht wenigen sogar als Genie: als Person schillernd,
androgyn und exzentrisch, als Künstler nonkonformistisch, brilliant
und besessen, und dabei kommerziell äußerst erfolgreich.
Michael Jackson trug zwar seit den 80er Jahren den inoffiziellen Titel
des "King of Pop", doch der Einfluss von Prince auf die
Entwicklung der Popmusik dürfte um einiges größer
sein - und er kann weiter wachsen. Denn während Jackson seine
tragische Wandlung zur Karikatur vollzog, blieb Prince in allem, was
er tat, er selbst: extravagant, konsequent und kompromisslos - in
Sachen Musik, aber auch sich selbst gegenüber.
Nach
der Trennung von seiner Plattenfirma war er einer der ersten, der
ankündigte, seine Musik nur noch über das Internet vertreiben
zu wollen. Auch in diesem Punkt war er seiner Zeit vermutlich voraus,
allerdings noch ohne durchschlagenden Erfolg: Veröffentlichungen
aus diesen Jahren blieben weitgehend unbemerkt. Das Internet als Vertriebsort
steckt noch in Kinderschuhen, und ohne begleitende Werbekampagnen
läuft in der Mediengesellschaft gar nichts.
Jetzt
ist er Mitte vierzig - und wieder da. "Ich bin von Herzen Musiker
und Künstler - das ist mein Beruf", lässt er verlauten.
Nicht einfach "Music", wie Madonnas letzte CD, sondern gleich
"Musicology" heißt das mit Spannung erwartete Album,
das dem Titel nach ein Bekenntnis sein könnte, eine Wissenschaft,
vielleicht sogar Religionsersatz. Das klingt freilich hoch gestapelt,
aber wenn es einen Popmusiker gibt, der in der Lage wäre, die
Erwartungen zu erfüllen, dann ist es eben jener Prince, der in
seinen Klassikern wie "Purple Rain", "1999" und
"Little red corvette" Pop, Soul, Funk, Blues und Jazz auf
so beispiellose Weise zuammen führen konnte.
Nun
kehrt er in den Schoß des Musikbusiness zurück. Dass er
sich deshalb in seiner Kreativität einschränken ließe,
steht nicht zu erwarten - und das ist gut so. Nicht nur, weil der
Titel des "King of Pop" inzwischen wieder vakant ist.
©
Michael Frost, 10. April 2004