Seit
1998, als Madonna ihr Album "Ray of light" veröffentlichte
und dafür nicht nur von ihren Fans, sondern erstmals auch
übereinstimmend von internationalen Musikkritikern gefeiert
wurde, ist der Name von William Orbit in aller Munde. Denn er
hatte der Produktion mit seinen Ambient- und Drums'n'Bass-inspirierten
Soundarrangements zu dem Klangereignis verholfen, das Madonna
vom Pop-Sternchen zur ambitionierten und ernstzunehmenden Musikerin
befördern sollte.
Im
Anschluss an die Arbeit für Madonna produzierte Orbit das
nicht minder phänomenale Blur-Album "13", das die
Abkehr der Band um Damon Albarn vom Britpop markierte und gleichzeitig
die Richtung in eine neue Ära der britischen Musikszene wies.
Diese
beiden Produktionen machten William Orbit zu einem der wenigen
Produzenten, die selbst zum Star wurden. "Der Mann hinter
der Band" stand plötzlich im Vordergrund, und allerorts
begann man, seinen Werdegang nachzuzeichnen.
Und
siehe da: Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Schon Jahre
vor Blur und Madonna war Orbit einer der gefragtesten Soundtüftler
mit einer Referenzliste ebenso klangvoll wie seine Produktionen:
Sting gehört dazu, Kraftwerk, Cure, Erasure, Peter Gabriel,
Scritti Politi, Prince, Les Negresses Vertes, Julian Lennon, Gary
Numan ...
Aber
auch Aufnahmen, die Orbit selbst veröffentlicht hatte, wurden
wieder aufgetan. 1987 hatte er mit "Orbit" sein Solo-Debüt
veröffentlicht, aber schon 1984 und 1985 mehrere Aufnahmen
mit seiner Band "Torch Song".
Seine bevorzugten Stile in der zweiten Hälfte der 1980er
Jahre waren vor allem Dance- und House-Rhythmen, zu denen sich
später die athmosphärischen Soundlandschaften gesellten,
die als "Ambient" bezeichnet wurden. Drei Alben veröffentlichte
Orbit in einer losen Folge, die als "Strange cargo"
betitelt war.
Bereits 1992 remixte Orbit einen Madonna-Titel ("Justify
my love") und begann seine Arbeit an dem Album "Pieces
in a modern style", das zunächst 1995 erschien, aber
wieder vom Markt genommen werden musste, weil zwei Komponisten,
deren Stücke Orbit für das Album verwendet hatte, ihr
Einverständnis zur Veröffentlichung nicht gegeben hatten.
2000 erfolgte die Neu-Veröffentlichung des Albums, mit z.T.
anderen und neu aufgenommenen Stücken u.a. von Ravel, Satie,
Vivaldi. Orbit hatte die klassischen Stücke mit elektronischen
Instrumenten neu interpretiert und zu einer wiederum Ambient-orientierten
Klangcollage zusammengeführt, die international, vor allem
aber in Großbritannien, ungemein erfolgreich wurde. Samuel
Barbers "Adagio for strings", ein Stück, das bereits
in der Filmmusik von Platoon Verwendung gefunden hatte, wurde
sogar als Single veröffentlicht und erreichte, gepusht durch
eine Remix-Version des holländischen Trance-DJs Ferry Corsten
Platz 4 der britischen Charts - das Album selber erreichte sogar
Platz 2. Orbit war zu diesem Zeitpunkt längst ein Star. Madonnas
Single "Beautiful stranger", von ihm produziert, war
ebenso ein Hit geworden wie "Pure shores", Single der
Girl-Band "All saints" und später auch Madonnas
Cover-Version von Don McLeans "American Pie" - ebenfalls
coproduziert von - na raten Sie mal: William Orbit.
Doch
seit "Pieces in a modern style" regt sich originelle
Gegenwehr. "Gut gemacht, William Orbit", lästert
die Deutsche Grammophon und legt mit einer optisch täuschend
ähnlich aufgemachten Produktion namens "Pieces in the
originale style" das klassische Pendant zu Orbits Computer-Versionen
vor: Die gleichen Stücke, die auch von Orbit ausgewählt
worden waren, aber in ihrer klassischen orchestralen Interpretation
durch Größen wie Herbert von Karajan und Leonard Bernstein.
Für die Promotion des Gegenschlags besorgte man sich prominente
Unterstützung: Latenight-Talker Harald Schmidt lästert,
Orbits Versionen seien "Kuschelrock für Halbintellektuelle",
er greife da lieber zu den Originalen.
Eine witzige Marketing-Idee, die tatsächlich ermöglicht,
die Arbeit William Orbits mit dem klassischen Material genauer
nachzuvollziehen, aber zu welchem Ergebnis man auch immer gelangt:
er hat die klassische Musik in die Popcharts geholt und den Originalen
damit zu neuer Beachtung verholfen. Was soll daran falsch sein
?
MF
/ 15.09.2001