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Mit einem Glockenschlag


"Tubular Bells" war ein Pauken- (bzw. Glocken-)schlag, mit dem der Komponist und Multi-Instrumentalist 1973 berühmt wurde. Über die gesamte Länge der LP lief das Stück, eine wahre Popsymphonie, sphärisch und intensiv, mit ausgefeilten Arrangements, elektronischem Pioniergeist, dramatischen Spannungsbögen und großem Orchestereinsatz.

Nie ist Mike Oldfield seither von seinen "Tubular Bells" losgekommen, auch wenn er seinen Stil währen der Jahre grundlegend - für manchen Fan allzu rabiat - veränderte. Mittlerweile hat Oldfield sein Meisterwerk um die Teile 2 und 3, eine Orchesterfassung und eine Live-Version erweitert. Letztere ist enthalten auf dem noch immer hörenswerten Doppel-Album "Exposed" von 1979, das später auch auf CD erschien und ebenfalls Konzert-Mitschnitte seiner Alben "Hergest Ridge" und "Ommadawn" enthält.

In den 70er Jahren war Mike Oldfield, vielleicht abgesehen von Jean-Michel Jarre, eine absolute Ausnahmeerscheinung. Seine atmosphärischen, fast ausschließlich instrumentalen Kompositionen und die Faszinationen für die noch sehr rudimentären Möglichkeiten elektronischer Synthesizer-Klänge machten ihn zum Pionier, die man heute "Ambient" nennt, Landschaften aus Musik.

Große kommerzielle Erfolge Oldfields wurden jedoch auch seine Ausflüge in die Popmusik. "Platinum" markiert den Übergang zwischen seinen Soundphantasien: Das Album enthält sowohl eine Cover-Version von Philip Glass' "North star" als auch Elektropop-Nummern wie "Punkadiddle" und säuselnden Mainstream ("I got rhythm"), eines der wenigen Stücke in dieser frühen Phase seiner Karriere, in der auch gesungen wird.

Spätestens jedoch seit "QE 2" hat sich auch bei Mike Oldfield das Lied im Single-Format durchgesetzt. Maggie Reilly, wichtigste Interpretin seiner Musik, wurde durch die QE2-Auskopplung "Moonlight shadow" so bekannt, dass sie daraufhin sogar eine Solo-Karriere startete.

Für Mike Oldfield war die Abkehr von der symphonischen Arbeit zugunsten radiotauglicher Songformate zunächst in kommerzieller Hinsicht zwar erfolgreich, doch gleichzeitig hatte er sich damit in die Falle begeben, ständig weitere Charterfolge nachlegen zu müssen, was ihm nicht gelang. Auch hatten viele seiner Fans aus der frühen Zeit seinen neuen Weg nicht mit nachvollzogen.

Doch Mike Oldfield blieb keineswegs untätig. Er veröffentlichte zahlreiche Alben und schrieb für den bewegenden Film "Killing Fields", der vor dem Hintergrund des brutalen Bürgerkrieges von Kambodscha spielt, den Soundtrack.

Doch 1992 kehrte er zum Ausgangspunkt zurück: Tubular Bells 2 wurden veröffentlicht. Diese Fortsetzung sowie der dritte Teil von 1999 verschafften ihm wieder zeitweilige Medienpräsenz, zusätzlich angeheizt durch immer neue Best-of-Alben, und schließlich erfuhr seine Karriere in der Silvesternacht 1999/2000 einen für viele unerwarteten Höhepunkt, als er auf der Millennium-Party in Berlin sein Projekt "Millennium Bells" vor zigtausend Feiernden live an der Siegessäule vorstellte.

Seit einigen Jahren operiert Mike Oldfield von Ibiza aus, wo er Anschluss an die dortige Club-Szene suchte. In der so genannten "Chill-out"-Szene, elektronischen Latin-Beats und im Ambient findet er seine zeitgenössische Entsprechung, die er in seinen neueren Alben widerspiegelt, so auch auf "Tres lunas", seiner aktuellen CD.

"Die Musik schafft eine Atmosphäre von Wärme, Sonnenschein und Zauber. Sie lehnt sich an die Gefühle an, die ich während meiner Zeit in Ibiza erfuhr, wenn ich abends den Sonnenuntergang beobachtete und die Sterne langsam am Himmel erschienen", sagt Oldfieldüber sein jüngstes Projekt. Dennoch ist er mittlerweile nach England zurückgekehrt. In dessen weniger sonnigen und sternenklaren Atmosphäre entsteht dann vielleicht eines Tages auch wieder eine neue Folge der "Tubular Bells" ...

Michael Frost, 15. Juni 2002

 

 

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