Seit
den internationalen Erfolgen der inzwischen verstorbenen Ofra Haza in
den 80er Jahren ist Noa Israels wohl berühmteste Pop-Sängerin.
Nicht nur in Musik und Interpretation sind die beiden sich ähnlich,
sondern auch in Bezug auf ihre Herkunft. Noa wurde zwar bereits in Israel
geboren, doch wie auch Ofra Haza liegen die Wurzeln ihrer Familie im
Yemen.
Deren
kulturelle Traditionen, die über die Jahre von arabischen Traditionen
beeinflusst wurden, finden sich heute in unterschiedlichen Färbungen
in Noas Musik wieder. Doch Noa verweigert sich der klischeehaften
Zuordnung etwa zur "Weltmusik" und hat sich während
ihrer Karriere zu einer Größe im internationalen Pop-Geschäft
entwickelt, die in der angloamerikanischen Pop-Tradition ebenso zu
Hause ist wie in den Kulturen des Nahen Ostens.
Noa
wurde 1969 in Israel geboren, wuchs jedoch in New York auf. Erst mit
17 kehrte sie nach Israel zurück. Seither pendelt sie, auch musikalisch,
zwischen den Welten. In Israel veröffentlichte sie 1991 unter
ihrem richtigen Namen Achinoam Nini ihr erstes Album. Es ist ein Mitschnitt
eines gemeinsamen Konzerts mit ihrem musikalischen Weggefährten
und Mentor Gil Dor, dem sie während ihrer Ausbildung an einer
Musikschule begegnet war. Für ihre israelischen Landsleute ist
sie Achinoam Nini geblieben, für den internationalen Markt schrumpfte
der Vorname auf das einprägsame "Noa" zusammen.
Noa
produziert ihre Alben jeweils für das israelische oder das internationale
Publikum. Sieben CDs erschienen in Israel, vier in Europa, darunter
auch "Now", ihr jüngstes Album, das im Januar 2003
auch in Deutschland vorgestellt wird. Neben Frankreich und Italien,
wo sie schon früh erfolgreich wurde, ist Noa aber immer wieder
auch in Deutschland präsent.
Peter
Maffay holte sie für sein hoch gelobtes Konzept-Album "Begegnung"
als Duett-Partnerin und machte sie auf seiner dem Album folgenden
Tournee einem großen Publikum bekannt. Spätestens seitdem
ist Noa auch hierzulande ein fester Begriff. Überhaupt nutzt
sie überall auf der Welt die Gelegenheit zu interessanten Kooperationen.
So sang sie bereits u.a. mit Pino Daniele und Zucchero, Donovan, Johnny
Clegg, Florent Pagny und Patrick Bruel. Mit Sting trat sie in Israel
auf, wo sie den ursprünglich von Cheb Mami gesungenen Part des
Hits "Desert Rose" übernahm. Und auch auf "Now"
ist wieder ein Duett zu hören. Das atmosphärische "Hawk
and sparrow" mit Lokua Kanza gehört zu den schönsten
Titeln des Albums.
Wer
in Israel lebt, kann sich dem politischen Geschehen im Lande nicht
entziehen. Im Interview sagt Noa zwar, dass sie Fernsehen und Radio
im Privatleben meide, aber wirklich aussperren kann sie die Brutalität
des Alltags nicht. Manchmal komme ihr das Leben in Israel wie eine
Art "Russisches Roulette" vor. Dennoch hört sie nicht
auf, an eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Israelis
und Palästinensern zu glauben und in ihrer Musik für Frieden
und Gewaltfreiheit einzutreten. Eine ihrer wichtigsten Arbeiten war
deshalb vielleicht das Duett mit dem aus Algerien stammenden Raï-Sänger
Khaled, mit dem sie 1999 John Lennons Hymne "Imagine" aufnahm.
Trotzdem:
Noas neues Album "Now" hat viele Facetten. Ihre Standortbestimmung
im "Jetzt" beinhaltet nicht nur den Wunsch nach Frieden
und Konfliktlösung, sondern auch das private Glück, eine
glückliche Partnerschaft und die Geburt ihres Sohnes Ayehli im
Frühjahr 2001. Den Namen des Kindes entlehnte sie der Sprache
der Cherokee, erzählt sie stolz. Er bedeutet "Mein anderer
Flügel". Ein schönes Symbol für Vollkommenheit.
So
bewegt sich Noa stets im Spannungsfeld zwischen privater Erfüllung,
europäischem Pop, den kulturellen Traditionen Israels und den
schwierigen politischen Umständen in ihrer Heimat. Wer sich auf
so unterschiedlichen Feldern bewegt, läuft immer wieder Gefahr,
von allen Seiten angefeindet zu werden und schließlich zwischen
allen Stühlen zu landen.
Doch
Noa hat noch eine weitere Seite: Sie repräsentiert eine junge,
aufgeschlossene und selbstbewusste Generation, die sich ihr Leben
nicht von überkommenen Tabus, Vorurteilen und Ressentiments diktieren
lassen will, sondern auf eigene Erfahrungen und Erlebnisse baut, wie
sie auch in ihrer Musik zum Ausdruck kommen. Es ist diese natürliche
Stärke ihrer Persönlichkeit, die auch ihrer Musik die ganz
besondere Atmosphäre verleiht und letztlich den Unterschied ausmacht.
©
Michael Frost, 1. Januar 2003