Der Vorteil eines Solokünstlers ist, dass man die Fäden bei der Verwirklichung seiner Projekte weitgehend selbst in der Hand hält. Thomas Dybdahl, einer der umtriebigsten Nachwuchsmusiker Norwegens, hat bislang auf diese Weise gern - und erfolgreich - gearbeitet. Seine bisherigen schrieb und produzierte er praktisch im Alleingang. Es gibt nicht eben wenige Musiker, die genau diese einsame Auseinandersetzung mit den eigenen Ideen benötigen, doch Thomas Dybdahl schätzt es ebenso, sich zurücklehnen zu können und die Verantwortung mit anderen zu teilen.
Wohl deshalb stellte er sich kürzlich als Gastsänger des Triphop-Duos Morcheeba zur Verfügung ("Dive deep"), und schon 2004 begann er eine Kooperation mit Kollegen aus der norwegischen Jazz- und Electroszene, die seither einen immer größeren Platz in seiner Arbeit einnimmt. Mit den Brüdern Anders und Martin Hornveth, Bassist Nikolaj Eilertsen und Keyboarder Morten Qvenild gründete er "The National Bank", eine ambitionierte Band mit einem luftig-elektronischen Sound aus Funk, Pop, Jazz und Kaugummiblasen, die prompt mit dem wichtigsten norwegischen Musikpreis ausgezeichnet wurde.
Seither gilt "The National Bank" in Norwegen als eine der größten Hoffnungen der Popmusik, und mit ihrem zweiten Album "Come on over to the other side" soll nun auch das Ausland erobert werden. Die Chancen stehen mehr als gut: Schon der Opener "Home" geht direkt zur Sache. Der Rhythmus ist elektronisch, der Groove kommt aus dem Funk, der raffinierte, kaum wahrnehmbare Übergang zwischen Strophen und Refrain reißt gleich von den Stühlen, ein wenig vom Disco-Funk und den Gesangsharmonien von Earth, Wind & Fire schwingt hier mit, oder auch eine andere "&"-Band, nämlich Emerson, Lake & Palmer - ein Einstieg nach Maß, dessen hohes Niveau tatsächlich über das ganze Album gehalten wird, wobei ihnen verschachtelte Patchwork-Sounds aus Funk, Jazz und Electro ebenso gelingen wie beispielsweise "Family" und "Let go", zwei aufeinander folgende Songs, die grandios vorführen, wie man Pop produzieren kann, der enormen Unterhaltungswert besitzt und entsprechend erfolgreich ist, ohne dabei auf musikalischen Anspruch zu verzichten.
The National Bank treten damit gewissermaßen in die Fußstapfen vor allem französischer Kollegen wie Air, Daft Punk oder Tahiti 80. Die haben bereits auf verschiedene Arten ausgelotet, wie elektronische Popmusik im 21. Jahrhundert klingen sollte. National Bank-Songs wie "Taste of me" (man könnte auch jeden anderen Titel des Albums nennen) erscheinen als logische Weiterentwicklung dieses Sounds. Spielerisch vermischen sie die klanglichen Ebenen zwischen klassischem Streichorchester, Akustikgitarre, Loops und Drum-Machine.
Besonders bemerkenswert ist der freundliche, unbeschwerte Grundton des Album ("From that day to this" erinnert streckenweise an die frühlingsmilden Songs der ebenfalls aus Norwegen stammenden Kings of Convenience), der die erstaunliche Komplexität der Arrangements vergessen macht.
Und so hat Thomas Dybdahl gut daran getan, sich mit ein paar Freunden zusammen zu tun. Zwar bezeichnet er "The National Bank" weiterhin als Sideprojekt in Abgrenzung zu seiner bislang vier Alben umfassenden Solokarriere, doch eine Wertung will er darin nicht sehen. "Mit dem Wort 'Sideprojekt' meine ich nicht etwas, das weniger wichtig ist. Wir sehen uns als Band", sagte er dem dänischen Musikmagazin Gaffa.
Ein 'richtiges' Sideprojekt war dann wohl eher Dybdahls Zusammenarbeit mit dem Triphop-Duo Morcheeba. Auf deren aktuellem Album "Dive deep" übernahm er bei vier Titeln den Gesangs-Part und rettete damit nach Meinung einiger Rezensenten das gesamte Album vor dem Untergang. "Come on over the other side" bestätigt diese Kritiker: Thomas Dybdahl und The National Bank haben ihre Idole längst überholt.
© Michael Frost, 01.03.2008