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"Live & Proud"


"May our music touch your hearts as much as the lyrics may connect with your minds." Diese Textzeile entstammt einem Song von Moana Maniapoto und weist bereits auf die Gleichrangigkeit von Musik und Wort hin, auf die Moana sehr viel Wert legt. Dabei könnte sie es sich, gerade in Europa, bedeutend einfacher machen: Als bekannteste Künstlerin der Maori, der Ureinwohner Neuseelands, könnte sie sich auf folkloristische Südsee-Romantik berufen, das Fernweh des Publikums wecken und sich von der polynesischen Tourismusindustrie einspannen lassen.

Aber Moana und ihre Gruppe, die in Deutschland als "Moana & The Tribe" gastierten (ehemals "Moana & The Moahunters"), wollen mehr sein als exotischer Farbtupfer in europäischen Fernsehshows. Zwar sind sie professionell genug, um auch diese Bühnen zu nutzen, doch auf ihren eigenen Konzerten verwendet Moana viel Zeit darauf, ihrem Publikum Bedeutung und Herkunft ihrer Musik und ihrer Texte zu erklären.

Ihre jüngst erschienene DVD "Live & Proud - Maori Music Global Spirit" vermittelt hierzu einen fundierten Einblick. Die DVD enthält den Mitschnitt des Konzerts, das Moana & The Tribe 2002 beim Chiemsee Reggae Summer Festival gaben, darüber hinaus aber auch acht Video-Clips, Hintergrundberichte zur Herkunft und Entstehung ihrer Musik und einen ausführlichen Bericht der ausgedehnten Tournee, die Moana 2002 u.a. durch Italien, Spanien und Deutschland führte.

Kurz zuvor hatte sie - die in ihrer Heimat schon seit Jahren ein Star ist - in Europa ihr erstes Album veröffentlicht: "Moana". Das Album - und stärker noch die "Live & Proud"-DVD - zeigt Moana als Künstlerin, die tatsächlich nicht in ritualisierter Folkloristik verharrt, sondern überzeugend versucht, die Musik ihrer Vorfahren mit aktuellen Strömungen aus Pop, Soul, Rock und Reggae zusammenzubringen. Dadurch macht sie ihre Musik auch dem Nicht-Maori-Publikum verständlich und weckt zugleich das Interesse für die Belange ihres Volks, das über lange Zeit von den europäisch-stämmigen Einwanderern unterdrückt und entrechtet worden ist.

Erst seit der jüngeren Vergangenheit gelingt es den Maori, sich dieses Schicksal zu entledigen. Dabei können sie nur bedingt auf die freiwillige Unterstützung der zugewanderten Neuseeländer hoffen, für die eine Anerkennung der Rechte der Maori mit dem Verzicht auf lieb gewonnene Privilegien und gesellschaftliche Macht verbunden wäre.

So sind die Maori überwiegend auf sich selbst gestellt. Unter dem Gesichtspunkt der Identitätsbildung haben Sprache und Musik für ihr Selbstverständnis eine zentrale Funktion - und genau dieser Aspekt macht Moana zu einem wichtigen Bestandteil der politischen Bewegung der Maori: Sie verleiht ihrem Anliegen Gesicht und Stimme. Sie singt - neben einigen englischsprachigen Titeln - überwiegend in der Sprache der Maori, Tänzer präsentieren bei den Konzerten den "Haka", den Kriegstanz der Maori, und die eingesetzten Percussioninstrumente bestehen aus allerlei Hölzern, Tierknochen und Muscheln.

Die DVD zeigt recht eindrucksvoll die Verknüpfung dieser traditionellen Elemente mit dem Repertoire der internationalen Rock/Pop-Szene. Im Gegensatz zur im vergangenen Jahr veröffentlichten CD, die einen Schwerpunkt beim Mainstream-Pop mit Ethno-Einsprengseln setzte, geht Moana bei ihren Konzerten deutlich mutiger zur Sache. Ihre farbenfrohe Begleitband (zu der u.a. ihre Schwester als Background-Sängerin sowie ein Nachrichtensprecher aus dem neuseeländischen Fernsehen als Haka-Tänzer gehören) verkörpert die stilistische Vielfalt Moanas zwischen traditioneller Maori-Musik, Pop, Soul und Hiphop zu in perfekter Weise.

"Live & Proud" zeigt, das Moanas Musik die Herzen der Chiemseer Zuhörer erreicht hat. Ob das im selben Maße auch für die Inhalte der Musik gilt, darüber gibt die DVD freilich keinen Aufschluss. Das ist bei Konzerten in Neuseeland sicherlich anders. Deshalb wäre es für das Verständnis der Musik von Moana & The Tribe vielleicht besser gewesen, den Mitschnitt eines Auftritts vor heimischem Publikum zu veröffentlichen. Der Eindruck vom Chiemsee Festival vermittelt nämlich nur eine Ahnung der Energie, die sich zwischen Moana und "ihrem" Publikum in Neuseeland entfalten dürfte.

© Michael Frost, 13.09.2003

 

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