"Brest
of" ist selbstverständlich ein Wortspiel. Christophe Miossec,
Jahrgang 1964 ("1964" heißt auch sein voriges Studioalbum)
stammt aus Brest, und "Brest of" ist der Zusammenschnitt
seiner wichtigsten Lieder aus sechs Alben, die er während der
vergangenen zwölf Jahre veröffentlichte. Für Wortspiele
hat Miossec, der heute zu den Wegbereitern des "Nouvelle Chanson"
zählt, schon immer etwas übrig: Seine erste Band, im zarten
Alter von vierzehn gegründet, nannte sich "Printemps noir"
- Schwarzer Frühling.
Das
klingt eher nach Existenzialismus und Revolte als nach Teenie-Band,
doch es gehört wohl zur Entwicklung Miossecs, immer gegen den
Strom geschwommen zu sein. In Abkehr von der absehbaren Karriere eines
Rockers hängte er nämlich mit siebzehn die Musik an den
Nagel und machte Abitur, ganz brav, ganz bürgerlich. Anschließend
begann eine kurze Phase journalistischer Arbeit, zunächst in
Brest, bald in Paris.
Doch
so ganz ließ er sich dann doch nicht in die bürgerliche
Karriere pressen: Weil ihm der Job zu wenig Zeit für die Musik
ließ, kündigte er und kehrte zu seinen Eltern zurück.
"Das war seltsam", erzählte Miossec später in
einem Interview, "diese Rückkehr an den Ausgangspunkt ...
Meine Eltern hielten mich für verrückt. Aber mich acht Stunden
am Tag arbeiten zu sehen zeigte ihnen, dass ich es ernst meinte."
Mit Guillaume Jouan, Nachbar seiner Eltern, verband ihn bald eine
enge musikalische Freundschaft, die bis heute anhält. Gemeinsam
arbeiteten sie an Christophes Debüt-Album "Boire",
das sich hauptsächlich "mit der Bretagne und Alkohol"
(Miossec) beschäftigte, 1995 erschien und ihm gleich einen Plattenvertrag
bescherte.
Seither
hat er so ziemlich alle Möglichkeiten zeitgemäßer
französischer Musik ausgelotet: von der rein akustischen Instrumentierung
in der Anfangszeit über deutlich rockigere Töne bis hin
zu orchestralen Arrangements, die etwa sein Album "1964"
prägten.
"Brest
of" dokumentiert Miossec in seiner ganzen Vielseitigkeit. Insbesondere
"Non, non, non, non (Je ne suis plus saoûl) ", einer
seiner ganz frühen Hits, zeigt die Entwicklung bis zum aktuellen
Studioalbum " L'étreinte". "Non, non, ..."
ist nämlich gleich zweimal enthalten; es eröffnet die Zusammenstellung
in der Originalfassung, und am Schluss gibt es dann eine "nouvelle
version", die extra für den Anlass der Compilation aufgenommen
wurde.
Erfreulicherweise
ermöglichte das Label PIAS, bei dem Miossec seit "Boire"
unter Vertrag ist, dem charismatischen Künstler eine aufwändigere
Präsentation. So enthält "Brest of" neben dem
Album mit insgesamt zwanzig Titeln eine DVD, dessen Kernstück
aus einem über 60-minütigen Konzertmitschnitt besteht (aufgenommen
wurde 2004 in Lille). Die Aufnahme unterstreicht, weshalb Miossec
nur bedingt als Protagonist des Nouvelle Chanson taugt: sein musikalischer
Schwerpunkt liegt im Pop/Rock, live tritt er mit rock-typischer Besetzung
(Gitarre, Bass, Keyboards, Schlagzeug) auf; die Musik ist direkt,
ohne ambitiöse Experimente, gerade heraus, und betont zeitlos.
Wie Miossec selbst: Er ist kein introspektiver Balladen-Flüsterer,
sein Platz ist am Bühnenrand, meist weit nach vorn ins Publikum
gebeugt, dort hält er Zwiesprache mit seinen Fans, dort erzählt
er mit lakonischem Timbre Geschichten, mal poetisch, mal politisch,
und immer frei von Kitsch und Pathos.
Zwar
verehrt er seinen Kollegen Dominique A., der mit seinem Elektropop
("Le courage des oiseaux") zum wahren Pionier der Nouvelle
Vague wurde, doch genauso nah fühlt er sich Rock-Musikern wie
Alain Bashung oder Johnny Hallyday, für die er ebenso komponierte
und textete wie für die legendäre Juliette Gréco.
"Brest
of" ist somit ein umfassender und lohnender Einstieg in das bisherige
Werk von Christophe Miossec. Acht Videoclips und ein längeres
Interview (allerdings von 1998) und ein kurzer Doku-Film runden die
Veröffentlichung ab.
©
Michael Frost, 02.11.2007