2005
war ein gutes Jahr für Souad Massi. Doppeltes Gold erhielt sie
noch im November, für mehr als 100.000 verkaufte Exemplare ihrer
beiden Alben "Raoui" und "Deb" in Frankreich: ein
ungewöhnlicher kommerzieller Erfolg für eine Musikerin, die
allgemein dem Genre "Weltmusik" zugerechnet wird.
Doch
so ungewöhnlich wie der Erfolg ist auch Souad Massi selbst. Geboren
wurde sie 1972 in Algerien. Dort liegen auch die Wurzeln ihrer Musikalität.
Aber in ihrer Familie hörte man sowohl traditionell Arabisches
als auch Brel und James Brown, Jazz und Rock. Souad Massi muss all
diese Einflüsse wie ein Schwamm aufgenommen haben. Später
entdeckte sie Joan Baez für sich, entwickelte eine zarte Leidenschaft
für spanische und afrikanische Folklore, griff zur Gitarre und
nahm 1998 ihr erstes Demoband auf.
Im
Jahr darauf wurde sie zu einem Festival algerischer Künstlerinnen
nach Paris eingeladen, wo sie nicht nur das Publikum entzückte,
sondern auch den anwesenden Vertreter der Universal, der ihr kurzerhand
einen Plattenvertrag anbot. So kam es zu "Raoui", ihrer
ersten Veröffentlichung, und der kometenhafte Aufstieg von Souad
Massi nahm seinen Lauf ...
Was
so märchenhaft klingt, findet in ihrer Musik wie auf wundersame
Weise eine Entsprechung. Denn auch wenn Souad Massi keineswegs zögert,
auch ernste und politische Themen in ihren Songs aufzugreifen, klingt
doch alles so leicht, so schön, manchmal "schmerzhaft schön"
(Pressetext), aber immer harmonisch, selbst für Musikhörer,
die der arabisch-inspirierten Musik sonst nicht so zugetan sind.
Denn
abgesehen von der Sprache (Souad Massi singt überwiegend Arabisch)
gibt es nicht eben viele eindeutige Hinweise auf ihre Herkunft. Insbesondere
auf ihrem jüngst erschienenen dritten Album "Mesk elil"
(Geißblatt), ist die Vielfalt der Stile groß wie nie zuvor:
Flamenco, Chanson, kapverdische Mornas und westafrikanische Rhythmen
fließen wie von selbst ineinander, ergänzt von Pop und
Elektro.
Doch
trotz aller Weltläufigkeit der Musik zieht sich die Auseinandersetzung
mit ihrer Herkunft, Familie und Vergangenheit als zentrales Thema
durch "Mesk elil". Für Souad Massi ist das kein Widerspruch.
Im Gegenteil: "Es ist wichtig seine Wurzeln zu respektieren -
genauso wichtig wie der Respekt vor den Wurzeln anderer", singt
sie im Duett mit dem westafrikanischen Sänger Daby Touré
in dem Song "manensa asli".
Damit
liefert sie mit ihren Mitteln - der Musik und der Poesie - den Gegenentwurf
zu Tendenzen der Abschottung und des Nationalismus. Entsprechend wird
sie von ausländischen Kritikern häufig als Symbol des multikulturellen
Paris bezeichnet. Allerdings weiß man inzwischen, wie fragil
dieser Zusammenhalt ist, und Souad Massi sind solche Zuschreibungen
vermutlich sowieso viel zu überladen und pathetisch.
Sie
beschreibt sich selbst viel nüchterner: "Ich bin eine Musikerin
und eine Träumerin, ich bin melancholisch und Optimistin. Und
ich bin eine Weltbürgerin."
Und
so packt sie, die Weltbürgerin, immer wieder ihre Gitarre ein
und geht auf Konzertreise: eben noch in Frankreich, kürzlich
in Tahiti ("Es war wie im Paradies"), und bald auch in Deutschland
und Österreich. Von überall scheint sie neue Einflüsse
mitzubringen, die sich später in ihrer Musik widerspiegeln. So
setzt sich ihre märchenhafte Karriere als musikalischer Reifeprozess
fort. Jüngst wurde sie ein weiteres Mal für die "Victoires
de la Musique", den französischen Grammy, nominiert, und
auch eine weitere goldene Schallplatte dürfte nicht lange auf
sich warten lassen.
©
Michael Frost, 01.02.2006