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Der Nonkonformist


Es war 1976, der junge Khaled war eben erst 16 geworden, als er beschloss, die Geigen in seiner Band durch eine E-Gitarre zu ersetzen. In Oran, einer der wichtigsten Städte Algeriens an der Mittelmeerküste, wurde er daraufhin zum wichtigsten Vertreter eines neuen Musikstils, der inzwischen als Raï um die Welt ging. Seine Werkschau, die jetzt als "Best of"-Album erschien, ist deshalb gleichzeitig auch die Dokumentation eines ganzen Genres.

Khaled Hadj Brahim ist als Nonkonformist bekannt. Bereits mit vierzehn Jahren wurde er wegen wiederholten Fehlens der Schule verwiesen. Schon damals sang er lieber auf privaten Feiern, probte mit seiner Band und träumte den Traum von einer Karriere in Frankreich. 1986 erhielt er die Chance dazu.

In Frankreich war nicht nur die Gemeinschaft arabisch-stämmiger Einwanderer begeistert von dem jungen Algerier, seiner Energie, der kraftvollen Stimme, seinen Themen, die den Zuhörern aus der Seele zu sprechen schienen, nicht etwa, weil sie sonderlich politisch wären, sondern weil sie das alltägliche Leben junger Menschen zum Inhalt hatten.

Hinzu kam, dass der Raï für Europäer nicht wirklich fremd erscheint. Gerade Khaled ist ein Meister der Verbindung unterschiedlicher Stile. Raï, wie er ihn prägte, ist eine temperamentvolle Mischung aus Pop, Reggae, Funk, Chanson und arabischer Folklore, mitreißend arrangiert und wie für ausgelassene Sommerpartys geschaffen.

Gleich seine erste in Europa entstandene Albumaufnahme ("Kutché, 1988) führte ihn auf eine Tournee quer durch den Kontinent, zunächst zwar noch in Orte mit großer Einwandererpopulation, doch sein Bekanntheitsgrad bei den Freunden der so genannten Weltmusik stieg rasant.

Namhaften Produzenten wie Don Was und Michael Brook hatten das Potenzial des Algeriers schnell erkannt. Also machten sie sich an die Arbeit. "Khaled", seine erste internationale Produktion von 1992, wurde zum geplanten, in seinen Ausmaßen aber doch überraschenden Erfolg. 1,5 Mio. Alben wurden weltweit verkauft, und "Didi", die erste Single-Auskopplung, wurde zum Mega-Hit, nicht nur in arabischen Ländern. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von "Khaled" hatte sich der Musiker bereits in Frankreich niedergelassen, da die politische Situation in Algerien immer komplizierter geworden war. Über viele Jahre war es ihm noch in einmal möglich, in seiner Heimat aufzutreten. Erst im November 2000 konnte er erstmals in Algier ein Konzert geben, zu einem Zeitpunkt, als er in seiner Heimat längst zur Legende geworden war. Seine Alben erzielten beachtliche Verkaufszahlen, "Aicha", die Single-Auskopplung seines 1996 veröffentlichten Albums "Sahra" erreichte internationale Chartplatzierungen und wurde später von der dänischen Popband Outlandish wiederentdeckt.

Khaled gilt noch immer, obwohl es in den letzten Jahren etwas leiser um ihn wurde, als "König des Raï". Doch er ist längst nicht mehr alleine: Zu nennen ist Cheb Mami, der spätestens durch seine Zusammenarbeit mit Sting ("Desert rose") international berühmt wurde, der junge Faudel, der den Rai am weitesten in Richtung Pop öffnete, oder auch Rachid Taha, vielleicht der politischste unter den Rai-Musikern. Mit beiden stand Khaled vor zehn Jahren gemeinsam auf der Bühne des Stadions von Paris-Bercy und gab ein umjubeltes Konzert, das unter dem Titel "1,2,3 Soleils" später auf CD und DVD veröffentlicht wurde.

Mit seinem bislang letzten Studioalbum "Ya Rayi" (2004) knüpfte Khaled dann zwar an seine Vorgänger an, entfernte sich jedoch zum Teil erstaunlich weit von der Herkunft des Raï. Oft verwiesen nur noch die arabische Sprache und die charakteristische Gesangstechnik auf Khaleds Herkunft - musikalisch ist er längst im multikulturellen Europa angekommen.

Mit "Ya Rayi" überzeugte Khaled erneut mit seiner nonkonformistischen Mixtur ganz unterschiedlicher Stile, die auch als Statement zur aktuellen Weltlage verstanden werden können: Vielfalt und Wille zur gegenseitigen Bereicherung als Gegenpol zu Ignoranz und Dogmatismus.

Diese Grundaussage zieht sich als roter Faden durch Khaleds musikalische Biografie, die man auf dem "Best of"-Album, das neben seinen großen Hits auch zwei neue Titel enthält, nachvollziehen kann. Eine seiner ambitioniertesten Aufnahmen fehlt darauf allerdings: Das Duett mit der israelischen Sängerin Noa. Sie sangen gemeinsam John Lennons "Imagine", dessen Text ungebrochen aktuell ist:

" Imagine ... Nothing to kill or die for, No religion too ..."

© Michael Frost. 01. Oktober 2004
Update: 14.06.2008

 

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