Die
Clubtour anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums
"No more sweet music" führte Hooverphonic im Herbst 2006
in die Niederlande und die Schweiz, nach Tschechien, Polen und Österreich.
Im Sommer gastierten die Belgier darüber hinaus in der Türkei
und Griechenland. Auftritte in Deutschland hingegen: Fehlanzeige, ebenso wie ein Veröffentlichungstermin für
das Album.
Schon das vorangegangene Akustikalbum "Sit down and listen"
in Deutschland ging selbst an eingefleischten Fans vorüber. Der deutsche Zweig der bisherigen Plattenfirma machte sich schließlich noch nicht
einmal mehr die Mühe, die Bandbiografie auf der Label-Website
ins Deutsche zu übersetzen: "On est loin du plat pays, plutôt
dans un décor de Tim Burton. Un groupe de pseudo flamants roses
profite de l'ombre." Aha.
So
sträflich wurde wohl kaum eine andere Band vernachlässigt.
Und dabei gäbe es so viel Erzählenswertes. Zum Beispiel
über das famose Best-of-Album, das Hooverphonic 2006 veröffentlichte,
das auf einen Schlag deutlich macht, dass man um ein Haar eine der
großartigsten Bands des Kontinents verpasst hätte. Es sind
ganze zwanzig Singles, die das Trio zwischen 1996 und 2006 herausbrachte,
jeweils von einem stilvollen Videoclip begleitet, wie man sie MTV
leider schon seit Jahren nicht mehr sehen kann, und der Sampler vereint
die Songs wie Perlen auf einer Schnur, jeder für sich ein Unikat
aus Elektropop bzw. Triphop.
Wenn
man über die großen Bands dieser in den 90er Jahren entstandenden
Szene spricht: Portishead, Moloko, Garbage, Morcheeba oder Goldfrapp,
dann muss auch der Name Hooverphonic fallen. Geike Arnaert, seit 1997
"Gesicht und Stimme" (Band-Website) des Trios, ist eine
charismatische Sängerin mit eigenständigem Profil, die sich
hinter Kolleginnen wie Alison Goldfrapp, Roisin Murphy (Moloko) oder
Beth Gibbons (Portishead) keineswegs verstecken muss.
Überhaupt
Portishead: Hooverphonic sind so etwas wie die belgische Antwort auf
die Triphop-Protagonisten aus Bristol. Wie die Engländer starteten
auch Hooverphonic als Trio: Alex Callier, Raymond Geerts und Lies
Sardonius (sie wurde alsbald durch Geike Arnaert ersetzt) veröffentlichten
ihr Debütalbum "A new stereophonic sound spectacular"
1997, dem Jahr, in dem auch das zweite (und bislang letzte) Portishead-Album
erschien.
Und
doch gibt es entscheidende Unterschiede, durch die Hooverphonic ein
eigenes Profil gewinnt: Geike Arnaert ist deutlich weniger schwermütig
als etwa Beth Gibbons. Ihre Stimme klingt leichter, fröhlicher
und ungebrochen. So wirkt auch der gesamte Sound der Belgier weniger
melancholisch. Deutlich spürbar wird dies, wenn Hooverphonic
die Live-Version ihres Songs "Mad about you" mit Teilen
des Portishead-Songs "Scorn" verweben.
Mit der Doppel-CD "No more sweet music" veröffentlichten die Belgier 2005 ihr
bislang innovativstes Album, da sie die elf Songs gleich zweimal einspielten.
Während die erste CD eher klassischen Popharmonien folgt, wurden
sie für die zweiten Teil des Albums nochmals neu abgemischt.
Alex Collier: "No more sweet music ist elektronischer, weniger
orchestral. Zum Beispiel ist die eigentliche Albumversion von 'Tomorrow'
eher retrochic, während die überarbeitete Fassung mehr Bossanova
ist. Das ist kein bloßer Remix, sondern eine andere Vision des
Albums, die in einem anderen Moment entstanden ist. Für mich
ist das ursprüngliche Album eine Musik für den Tag, das
zweite die Musik für den Abend."
Andererseits:
Wer den Vergleich machen will, muss jedoch den Importservice des Onlinehandels
in Anspruch nehmen oder selbst den Weg in ein Nachbarland machen.
Denn weder "No more sweet music" noch die Singles-Compilation
sind bislang in Deutschland erschienen. Letztere ist übrigens
in einer besonders opulenten Version erhältlich: Neben der CD
mit den zwanzig Hooverphonic-Singles gehört zum Package auch
eine DVD mit sämtlichen Videoclips und einem kompletten Konzertmitschnitt
vom Januar 2006 aus dem "Ancienne Belgique" in Brüssel.
Nun jedoch soll alles besser werden. Mit PIAS, einem der engagiertesten Independent-Labels, scheint eine Plattenfirma gefunden, die den Wert von Hooverphonic zu schätzen weiß. Das Trio selbst wird wieder das, was sie eigentlich immer war: eine famose Indiepop-and. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Label-Debüt "The President of the LSD Golf Club" wohl nicht zu den stärksten Alben der Hooverphonic-Geschichte zählen dürfte. Immerhin: Zur Veröffentlichung kommt Hooverphonic sogar für ein Konzert nach Berlin.
©
Michael Frost, 31.12.2006
Update: April 2008