"Es gibt kein deutsches Wort für 'Showtime'". Mit diesen Worten eröffnet Hubert von Goisern sein neues Album "S'nix". Dabei hat er längst bewiesen, dass er auch ohne sprachliches Äquivalent in der Lage ist, es in seiner Musik, vor allem auch seinen Konzerten, so meisterhaft umzusetzen, dass sprachliche Hürden letztlich überhaupt keine Rolle mehr spielen.
Schon sein erstes Album "Alpine Lawine" (1988), gefolgt von "Omunduntn" (1992), etablierte von Goisern mit seiner Band, den "Alpinkatzen" zum gefragtesten Showact Österreichs. Auftritte auf französischen Festivals wurden ebenso bejubelt wie vor texanischem Publikum und in New Yorker Szene-Clubs.
Was war passiert? Hubert von Goisern hatte es satt, die Musiktradition seiner Heimat fest im Schunkel-Griff der organisierten "volkstümlichen" Musikantenstadln, -scheunen und Hitparaden zu sehen. Und so orientierte er sich an Weltmusikern anderer Länder, denen es mit großem Erfolg gelungen war, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden, ohne dabei verstaubt, rückwärtsgewandt oder spießig zu klingen. Wenn er mit den "Alpinkatzen" die Bühne betrat, dann brodelte der Saal in einer exaltierten Mischung aus Polka und Punkrock, alpenländischem Jodeln und Rap, afrikanischen Beats und Landler-Tanz. Die Live-CD "Wia die Zeit vergeht" von 1995, mit der von Goisern diese erste Phase seiner Karriere abschloss, dokumentiert deshalb weit mehr als nur "Showtime", sondern die zeitgemäße Vision der kulturellen Identität in Europa.
Dass diese Vision ohne die Suche nach eigenen Wurzeln nicht gelingt, bewies er mit zwei hoch gelobten Alben, die eher beiläufig veröffentlicht wurden "Trad", Vol. 1 und 2, für die er vornehmlich alte Volkslieder seiner Heimat, dem Salzkammergut, mit alten und traditionellen Instrumenten neu einspielte.
Seine Karriere bekam 1995 durch eine sechswöchige Tibet-Reise eine neue Richtung. Hubert von Goisern, immer schon ein politischer Künstler, hatte ein neues Thema. Aus seiner Auseinandersetzung mit der Situation Tibets, gerade in diesen Tagen wieder hoch aktuellen, entstand das Album "Inexil", und nahezu parallel veröffentlichte er "Gombe", nach einem längeren Aufenthalt in Tansania.
Seither darf man Hubert von Goisern vielleicht als einzigen Weltmusiker im deutschsprachigen Raum bezeichnen. Immer wieder arbeitete er mit Musikern ganz unterschiedlicher Herkunft zusammen. Am bekanntesten wurde darunter wohl seine Kooperation mit dem Ägypter Mohamed Mounir. Es war ein ungewohnter, aber großartiger Anblick, Goisern mit seinen österreichischen Texten und alpenländischen Rhythmen vor einem ausgelassen feiernden Publikum in Kairo zu sehen.
Aktuell, und wie auch seine vorigen Touren wird auch dieses Spektakel sicher filmisch festgehalten, befindet sich Hubert von Goisern auf einem Schiff "vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee". Dabei legt von Goisern entlang seiner Route an verschiedenen Ufern von Donau, Main, Rhein und Mosel an, immer wieder kommen ortsansässige Musiker hinzu, die mit ihm auf die auf einer ausgedienten Kiesbarge aufgebaute Bühne gehen, darunter Xavier Naidoo, Konstantin Wecker und Klaus Doldinger.
Naidoo ist übrigens auch auf "S'nix zu hören", und das ist beileibe nicht die einzige Überraschung, die das Album zu bieten hat. Hubert von Goisern präsentiert sich darauf nämlich überraschend mainstream-orientiert. "S'nix" ist weit mehr als seine bisherigen Aufnahmen, ein Pop/Rock-Album geworden, dessen Herkunft überwiegend nur noch durch die österreische Mundart deutlich wird. Hubert von Goisern zeigt damit einmal mehr sein vielseitiges Potential, das in übrigens auch zum erfolgreichen Schauspieler ("Hölleisengretl", "Schlafes Bruder") werden ließ.
Dass er nun allerdings gewissermaßen dem Zeitgeist, der in diesen Tagen in Österreich vor allem "Fußball-EM" heißt, folgt, ist eine neue und vielleicht etwas enttäuschende Erkenntnis. So förderte er aus den Archiven des ORF die Radioreportage Heribert Meisels des 1954er WM-Viertelfinalspiels zwischen Österreich und der Schweiz zutage und strickte daraus "Rotz & Wasser" - als eigenwilligen Beitrag zur EM.
Doch "S'nix" bietet auch so großartige Momente wie das achtminütige Stück "Regen", in dem ihm die musikalische Umsetzung seines Themas ("Wia des Wasser is, so bin i // i treib und treib nur so dahin // Regen kommt, Regen geht // Koana woaß und koana versteht's ...") genial gelingt: Der Song treibt mit entspannten Jazz-Rhythmus einfach so dahin - so scheint es jedenfalls. Tatsächlich ist auch dieses ausgeklügelte Arrangement Teil der Goisern'schen "Showtime" - und wohin die treibt, das bestimmt wohl niemand außer ihm selbst.