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Schneeball-Prinzip


An einer Stelle des Konzertes sagt Thomas Fellow, er verstehe überhaupt nicht, dass sich halb Deutschland auf der Suche nach einem "Superstar" befinde. Er jedenfalls habe diesen Superstar längst gefunden: Constanze Fellow. Das Publikum ist ganz seiner Meinung und quittiert die Aussage mit zustimmendem Applaus. Als Duo sind Constanze Friend (Gesang) und Thomas Fellow (Gitarre) längst Superstars der Kleinkunstbühnen, Alternativtheater und Kulturzentren der Republik. Inzwischen können sie es sich schon mal leisten, mehrfach während des Jahres durch die gleiche Region zu touren: Das Publikumsinteresse ist steigend; manch einer, der das Duo einmal hörte, bringt zum nächsten Konzert zwei bis vier neue Zuhörer mit: Schneeballeffekt.

Die Stimme von Constanze Friend ist wie geschaffen für ihre ausdrucksstarken R&B- und Soulpop-Interpretationen. Warm, rauchig und dunkel ist ihr Gesang, der an manchen Stellen die Intensität einer Tracy Chapman erreicht.

Thomas Fellow ist der Virtuose an der Gitarre, dem bei manchem Song zusätzliche Finger zu wachsen scheinen, so sehr reizt er die klanglichen Möglichkeiten seines Instruments aus. Dem Volumen seines Spiels nach müssten hinter der Bühne noch ein bis zwei weitere Gitarristen sitzen.

Doch weit gefehlt. Friend'n Fellow sind ein seltenes Beispiel dafür, wie man mit wenigen, aber dafür hochwertigen Mitteln optimale Wirkung erzielt. Sie fesseln das Publikum während des gesamten Konzertes, und obgleich sie auf Bässe, Drums, Bläser oder sonstiges Instrumentarium verzichten, wird es niemals eintönig oder langweilig. Man ist einfach nur fasziniert von ihrem Potenzial.

Talent allein reicht hierfür vermutlich nicht, und so überrascht es wenig, dass beide eine fundierte musikalische Ausbildung hinter sich haben. Constanze Friend studierte modernen Gesang in Weimar, Thomas Friend am gleichen Ort Konzertgitarre. Heute ist er Professor an der Hochschule für Musik in Dresden, wo er Gitarre und Worldmusic lehrt.

Beide trafen bereits 1991 aufeinander und beschlossen, "all unsere 'Favorite Songs' zu sammeln, zu bearbeiten und dem Publikum zu präsentieren". Bis zur Veröffentlichung der ersten CD dauerte es noch bis 1997. Zu dem Zeitpunkt war jedoch schon einer der ganz Großen auf das Duo aufmerksam geworden: Blues-Legende Luther Allison. Er befand Friend'n Fellow für den "Sound of the new Century", produzierte ihr Debüt-Album "Home" und nahm sie mit auf Tour. "Wenn er uns am Ende seines Konzerts, nach unserem gemeinsamen 'Sittin' on the dock of the bay' an die Hände nahm, waren wir wie seine Kinder", erzählen Friend'n Fellow rückblickend über die "prägendste Erfahrung unseres bisherigen Musikerlebens".

Allison, der 1998 starb, widmeten Constanze Friend und Thomas Fellow ihr zweites Album "Purple Rose". Inzwischen haben sie nach einer weiteren Studioproduktion ("Taxi", 2001) ihr erstes Live-Album veröffentlicht, parallel als Doppel-CD und DVD. Der Zusammenschnitt zweier Konzerte, die Friend'n Fellow im Mai 2003 in ihrer Heimatstadt Weimar gaben, enthält einen Überblick über ihr gesamtes Repertoire der vergangenen Jahre - und darüber hinaus eine Lehrstunde für alle Superstars und solche, die es werden wollen, zeigen Friend'n Fellow doch, dass das Covern von Songs weit mehr sein kann als eine Karaoke-Veranstaltung: Die Lieder verschmelzen mit ihren Interpreten und offenbaren gänzlich neue, individuelle Facetten, und zwar unerheblich, ob es sich dabei um so unterschiedliche Vorlagen wie "Can't buy me love" (Beatles), "Fly like an Eagle" (Miller) oder "Summertime" (Gershwin) handelt - oder gar Thomas Fellows furiose Instrumental-Fassung von "September" (Earth, Wind & Fire).

Nach dem beschriebenen Schneeballprinzip dürfte sich der Tourkalender des Weimarer Duos in den kommenden Jahren weiter füllen. Mehr als 1000 Konzerte sind bereits absolviert. Dennoch bezeichnen sich Friend'n Fellow keineswegs als reine Liveband. Also steht zu erwarten, dass sie eines Tages ins Studio zurückkehren werden, um ein neues Album aufzunehmen - falls ihnen die Zeit dazu bleibt. Und wenn man daran glaubt, dass sich Qualität zum Schluss immer durchsetzt, dann wird aus dem Schneeball vielleicht noch eine Lawine.

© Michael Frost, 01. Mai 2004

 

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