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Geschichten
ohne Worte


Sie gehören zu den profiliertesten Instrumentalisten ihres Landes: der Gitarrist Ali Farka Touré und Kora-Spieler Toumani Diabaté. Die Kora könnte dem europäischen Publikum vielleicht am besten als Mischung aus Harfe und Laute beschrieben werden. Als Ergänzung zur Gitarre klingt sie perfekt. Als Resonanzkörper dient dem Instrument, das 21 Saiten hat, eine mit Kuhhaut bespannte Kürbisschale, und in Westafrika hat die Kora eine lange Tradition:

"Sie wird meistens von Berufsmusikern solistisch als Begleitung der mündlichen Überlieferung historischer Ereignisse in Form von epischen Erzählungen, Ahnenreihen, Preisgesängen und Tänzen gespielt." (www.musikglobal.de) Der Instrumentenbauer lehre das Instrument zu 'sprechen', "indem er es der Tonlage der lokalen Sprache angleicht". In Senegal spricht die Kora Wolof, in Mali Bambara.

Oft bedarf es also gar nicht der mündlichen Erzählungen, um die Musik Geschichten erzählen zu lassen, und so verhält es sich auch mit der Einspielung von Ali Farka Touré und Toumani Diabaté. "Kaira" etwa (das Wort bedeutet "Frieden") ist eine Komposition von Diabatés Vater Sidiki. Es entstand in der Zeit, als sich die Bürger Malis gegen die französischen Kolonialherren wandten. Die einzigen Waffen der Malier seien ihre Instrumente gewesen: "Koras, Balafone und Djembés". "Die Frauen", erzählt Diabaté, "unsere Mütter, sangen. Die Musiker zogen von Dorf zu Dorf und ließen die alten Melodien wieder auferstehen. Diese Bewegung wurde so einflussreich, dass mein Vater vom Distrikt-Chef im Westen des Landes verhaftet und ins Gefängnis gesperrt wurde. Die Franzosen hat - zu recht - Angst, dass durch die Musik ein patriotisches Grundgefühl geboren wurde."

Toumani Diabaté, der später in die Fußstapfen seines Vaters trat, widmete im sein erstes Album, das er "Kaira" nannte. Zunächst planten Touré und Diabaté nur die gemeinsame Einspielung dieses einen, historisch so bedeutsamen Liedes. Daraus entstand schließlich die Idee eines gemeinsamen Albums, das die beiden nun veröffentlichten: "In the heart of the moon", das schon kurz nach der Veröffentlichung mit Lobeshymnen geradezu überschüttet wurde.

Beide Musiker kennen sich schon seit vielen Jahren. Der deutlich ältere Ali Farka Touré hatte bereits mit Toumani Diabatés Vater zusammen gearbeitet, während Toumani seinen heutigen Duettpartner zuerst als Kind im Radio hörte. Beide begegnen sich mit großem Respekt, sind sie doch auf ihrem jeweiligen Gebiet einzigartig.

Aufgenommen wurde das Album im Konferenzraum eines am Ufer des Niger gelegenen Hotels in Bamako. Zusätzliche Instrumente wurden später von Ry Cooder, seinem Sohn Joachim und einigen weiteren Musikern in Los Angeles, Havanna und London aufgenommen. In Bamako selbst waren nur drei Sessions von jeweils zwei Stunden seien nötig, um die Einspielung fertig zu stellen, obwohl Diabaté zunächst skeptisch war: "Ich sagte zu Ali 'Wir sollten proben'. Er sagte 'Nein Toumani, wir sollten auf möglichst natürliche Art zusammenarbeiten, es wird keine Probleme geben.'" Tatsächlich fügen sich die Instrumente dieses ungleichen und doch so harmonischen Duos wie von selbst ineinander, und auch ohne Worte erzählen sie Geschichte und Geschichten aus Mali, den verschiedenen Regionen und Völkern des Landes, seiner Tradition und seiner Gegenwart. "Mali ist eines der ärmsten Länder der Welt", schreibt Toumani Diabaté in seinem Begleittext. "Aber nur finanziell. Kulturell dagegen gehört es zur Spitzengruppe."

Der Stolz, der aus dieser Aussage klingt, ist in Wahrheit pures understatement. Denn für die kulturelle Entwicklung ihres Landes leisten die beiden Musiker selbst einen nicht zu unterschätzenden Beitrag.

© Michael Frost, 01. August 2005


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