Es
gibt eine Binsenweisheit, die lautet: "In der Ruhe liegt die
Kraft." Sollte dieser Spruch auch in der Musik eine Berechtigung
haben, dann für Neapels "Stadtmusikanten" Pino Daniele.
Mit unermüdlich sanfter Stimme, zeitlosen und harmonischen Melodien
ohne Kitsch oder Pathos hat er abseits kommerzieller Ansprüche,
Moden oder Trends ein treues Publikum erobert, das ihm seit nunmehr
einem Vierteljahrhundert die Treue hält und immer weiter wächst.
Pino
Daniele feiert in diesem Jahr den 25-jährigen Geburtstag seines
Platten-Debüts. "Terra mia" von 1977 bezeichnet auch
gleich eines seiner zentralen Themen: "Terra mia" - "meine
Erde / mein Land", das ist immer wieder auch Neapel, seine Heimatstadt,
mit der ihn eine ambivalente Leidenschaft verbindet:
"Napule
è mille culure
Napule è mille paure"
singt
er in "Napule è", einem seiner berühmtesten
Lieder: "Neapel, das sind tausend Farben - Neapel, das sind
tausend Ängste".
Immer
wieder benutzt Daniele in seinen Liedern den regionalen Dialekt Neapels,
der sich vom Italienischen durch seine ungleich derbere, rustikale
Aussprache unterscheidet. Dennoch reicht sein Bekanntheitsgrad längst
über den Süden Italiens und die Landesgrenzen hinaus, auch
wenn er vielfach immer noch als "Geheimtipp" gehandelt wird.
Seine Musik ist weder mit dem kraftvollen Rock eines Zucchero noch
dem Schmusepop eines Ramazzotti vergleichbar: Pino Danieles Musik
wurde früh als "Latin Blues" bezeichnet, und er selbst
griff diese Zuschreibung in seinem Album "Che Dio ti benedica"
auf:
"Sono
un cantante di blues
che
non si ferma per niente al mondo porto ..."
("Ich bin ein Blues-Sänger der für nichts auf der
Welt aufhört")
Die
helle Färbung seiner Stimme erinnert gelegentlich an Youssou
N'Dour, dürfte ansonsten aber ziemlich einzigartig sein und ist
deshalb von hohem Wiedererkennungswert. Sie verleiht seiner Musik
den besonderen Ausdruck zwischen Entspanntheit und Wehmut, der sich
wie ein roter Faden durch alle seine Alben zieht.
Seinem
Stil ist Pino Daniele stets treu geblieben. Eine relaxte Blues-Atmosphäre
und harmonische Balladen an der Grenze zum Pop bilden sein festes
Repertoire. Eher behutsam sind seine Versuche, andere Stile in den
eigenen Sound zu integrieren. So arbeitete er schon in den 80er Jahren
viel mit lateinamerikanischen Musikern zusammen. Diese
neuen Einflüsse sind vor allem auf seinem ersten Live-Album "Sciò"
von 1984 zu hören.
Anfang
der 90er Jahre traf er dann mit Chick Corea zusammen, der an "Che
dio ti benedica" beteiligt ist, um sich danach wieder verstärkt
den "mediterranen" Rhythmen zu widmen, wofür Daniele
sich u.a. mit der ebenfalls aus Neapel stammenden Ethno-Rock-Band
Almamegretta zusammentat, die immer wieder auch mit arabischen Einflüssen
experimentierte, wie sie auch von ihm auf seinem Album "Medina"
(2001) verarbeitet wurden.
Pino
Daniele hat allerdings nie versucht, sich in die Schar so genannter
"Weltmusiker" einzureihen. Ihm reicht es, hier und da einzelne
Passagen und Sequenzen aufzugreifen, die man oft nur beim aufmerksamen
Zuhören als aus Afrika, Lateinamerika oder Arabien stammend erkennen
wird, da sie seinen eigenen Stil, den "Blues Mediterraneo",
lediglich kurz streifen, nicht aber dominieren oder gar ablösen.
So
ist er sich immer treu geblieben, ohne dabei langweilig zu werden
oder sich zu wiederholen. Der aktuelle Querschnitt seines im Frühjahr
2002 erschienenen dritten Live-Albums "Concerto" zeigt,
wie harmonisch sich die Titel aus unterschiedlichen Jahren ineinander
fügen und dennoch seinen ganz individuellen und zeitlosen Sound
prägen.
Pino
Danieles Erfolg ist auch nach 25 Jahren ungebrochen. Wenn er in Italien
auf Tour geht, füllt er längst nicht nur das heimatliche
Fußballstadion in Neapel mühelos mit 80.000 Zuschauern.
Für jemanden, der eher den leisen, melancholischen Weg geht,
ein erstaunlicher Erfolg. Aber ein verdienter.
Michael
Frost, 01.06.2002