"Wenn
ich auf meiner Fiedel in Dooney spiel', Volkstanz wie die Wellen
der See ..." Diese Zeile aus einem Gedicht des irischen
Dichters William Butler Yeats (1865-1939) ist wie für Angelo
Branduardi geschrieben. Kein Wunder, dass Branduardi den "Fiedler
von Dooney" und andere wunderbare Yeats-Gedichte gemeinsam
mit seiner Frau Luisa Zappa Branduardi ins Italienische übertrug,
Melodien dazu schrieb und 1985 veröffentlichte: "Branduardi
canta Yeats" (Branduardi singt Yeats).
Bis
heute ist es eine seiner schönsten CDs, obwohl Branduardi damals,
zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, den Gipfel seiner Popularität,
als er auch in Deutschland Konzerthallen mühelos mit mehreren
tausend Besuchern füllte, fast schon überschritten hatte.
Das
war die "Liedermacher"-Ära, die Zeit der Friedens-
und Umweltbewegung, für die singende Dichter wie Konstantin
Wecker, Klaus Hoffmann, der "frühe" Heinz-Rudolf
Kunze, Herman van Veen, Georges Moustaki und eben Angelo Branduardi
Symbolfiguren waren - Vertreter der leisen und der Zwischentöne
mit viel Gespür für Europäer, die den kalten Krieg
und die atomare Bedrohung zunehmend als unerträgliche Beeinträchtigung
ihres Lebens empfanden und sich in den Konzerten für die Demonstrationen
und Proteste auf den Straßen und Plätzen moralisch stärkten.
Dabei
muss es Zufall gewesen sein, als sich Branduardi und der Zeitgeist
Ende der 70er Jahre begegneten. Damals war er keine 30 Jahre alt
(geb. 1950 im lombardischen Dorf Cuggino), hatte in Genua am Conservatorio
Nicolo Paganini sein Geigen-Diplom bestanden, anschließend
in Mailand Gitarre gelernt und nach der Fakultät für Technik
und Tourismus noch ein Philosophie-Studium absolviert und bereits
1974 die erste Schallplatte veröffentlicht.
Sein
drei größten Erfolge enstanden in jener Zeit: ALLA FIERA
DELL'EST, LA PULCE D'ACQUA und COGLI LA PRIMA MELA, jeweils die
Titelsongs der drei zwischen 1975 und 1978 erschienen Platten, für
die er zahlreiche Preise erhielt, so u.a. den Italienischen Schallplattenpreis
für ALLA FIERA DELL'EST, den Deutschen Schallplattenpreis 1979
für COGLI LA PRIMA MELA. und 1980 die "Goldene Europa".
Im
selben Jahr ging Branduardi auf große Europa-Tour, beteiligte
sich an der "Carovana del Mediterraneo", einer großen
Konzert-Serie, die von Stephen Stills, Graham Nash und Richie Havens
angeführt wurde und ihren krönenden Abschluss vor 200.000
ZuschauerInnen bei der "Fête de l'Humanité"
in Paris fand.
Branduardi
veröffentlichte ein 3LP-Set (2 CDs) mit Aufnahmen von seinen
Konzerten (CONCERTO), und in gewisser Weise schloss er damit den
ersten Teil seiner Karriere ab. Fortan widmete er sich erstmals
auch Filmmusiken, darunter auch für die deutsch-italienische
Koproduktion MOMO, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Michael
Ende. Eine Zusammenstellung diverser Titel der Soundtracks erschien
1993 auf einer CD (MUSICHE DA FILM).
Ende
bedankte sich für die gelungenen Kompositionen Branduardis
mit der deutschen Übersetzung der Texte Luisa Zappas für
das 88er Album Branduardis PANE E ROSE, auf dem er erstmals überwiegend
mit lateinamerikanischen Rhythmen experimentierte.
IL
LADRO (1991), SI PUÒ FARE (1993) und DOMENICA E LUNEDÌ
(1994) läuteten eine neue Phase im Schaffen Branduardis ein.
Die oft mystischen Fabeln und Parabeln erzählenden Texte wurden
eingängiger, Melodien poppiger, einige Titel erschienen gar
als Singles.
Die
alten Stücke variiert er, beispielsweise wird COGLI LA PRIMA
MELA auf dem Live-Album CAMMINANDO CAMMINANDO (1996) als Flamenco
vorgestellt. Branduardi ist fröhlicher geworden, gelassener
und gelöster, er öffnet sich der "Masse", taucht
auf verschiedenen Italo-Pop-Samplern auf, nimmt am Schlagerfestival
von San Remo teil und dabei Augen zwinkernd in Kauf, an den Rand
des Kitsches zu geraten.
Seit
jeher gilt Branduardi als moderner Minnesänger, der mit seiner
Musik in direkter Tradition mittelalterlicher Sangspruchdichtung
steht. Mit diesem Etikett hat man ihm oft Unrecht getan, aber seine
Ausbildung in klassischer Musik, seine enge Verbundenheit mit deren
folkloristischen Wurzeln, dazu die besonderen Texte seiner Frau
Luisa - und natürlich das furiose Geigenspiel - haben ihn zu
einem Künstler gemacht, der in seiner Art einzigartig ist.
Der
mittelalterlichen Musik hat er sich, neben den anderen Projekten,
in den letzten Jahren in besonderer Weise gewidmet. Zwei
CDs (FUTURO ANTICO I + II) hat er 1996 und 1999 veröffentlicht,
auf denen er in Zusammenarbeit mit klassischen Ensembles (CHOMINCIAMENTO
DI GIOIA, FINISTERRAE unter der Direktion von RENATO SERIO) ausschließlich
klassisches bzw. traditionelles Repertoire vertonte, darunter Tänze
aus dem 16. Jahrhundert und auch ein auf Mittelhochdeutsch gesungenes
Lied: "LOIBERE RISEN", ein Text von Wizlaw von Rügen.
Der dritte Teil des Projektes "Futuro Antico" wird in
Italien Ende September 2002 veröffentlicht.
Auch
eines seiner jüngsten Projekte weist in das Mittelalter zurück
und versucht einen Brückenschlag zwischen Klassik und Moderne:
"L'INFINITAMENTE PICCOLO" basiert auf Schriften der Franziskaner
und Franz von Assisi und erzählt in elf Liedern dessen Leben.
Branduardi erhielt für das Projekt prominente Unterstützung,
u.a. von ENNIO MORRICONE, der eine Melodie beisteuerte, von der
korsischen Gruppe I MUVRINI sowie von Teresa Salgueiro und José
Peixoto (Madredeus).
Branduardi
kommt gerade, ohne gezielt darauf hingearbeitet zu haben, wieder
in Mode. Der Zulauf seiner Konzerte bestätigt den Trend. "Altro
ed altrove", seine neue Studio-Platte, stieg in Italien sogar
in die Top 10 der Album-Charts. Und auch Yeats passt auf Branduardi
noch immer: