Wie
beschreibt man einen Songwriter, dessen behutsame Lieder von so großer
Schüchternheit und Intimität zeugen, dass man sich vor lauter
Angst, ihn aufzuschrecken oder zu verunsichern, jedes Wort zwei, dreimal
zurechtlegen möchte?
Perry
Blake ist ein solcher Songwriter, und vielleicht wartet er noch immer
auf seine große internationale Entdeckung, weil man ihn einfach
nicht stören mag und befürchtet, seine fragilen Miniserenaden
könnten im Falle allzu großer Aufmerksamkeit Schaden nehmen.
Der
Ire, geboren 1971 in Sligo, lebt seit einigen Jahren - nach einem
längeren Zwischenstopp in London, wo er auch sein erstes Album
einspielte - in Frankreich. Dort wurde man schnell auf den jungen
Songwriter aufmerksam. Bereits seine zweite CD enthält mit "War
in France" ein Duett mit keiner Geringeren als Chanson-Legende
Françoise Hardy. Die Zusammenarbeit wurde hoch gelobt, gerade
weil Blake die Hardy einmal nicht als unnahbare Ikone in Szene setzte.
Der Effekt muss auch bei Françoise Hardy selbst einen starkten
Eindruck hinterlassen haben, so nachhaltig, dass sie Perry Blake gerade
neben Benjamin Biolay für die Produktion ihres neuen Albums "Tant
de belles choses" engagierte.
Dort,
wie bereits vorher auf seinem selbst betitelten Debüt-Album von
1998 zeigt der "irische Cousin von Jay-Jay Johanson" (Kritiker-Einschätzung)
seine große Leidenschaft für symphonische Klänge.
Damals unterlegte er die dramatischen Streicherpartien noch mit Triphop-typischen
Beats und orientierte sich damit an Bands wie Portishead, deren zutiefst
melancholischen Ausdruck er bis heute teilt. Mit seiner dritten Veröffentlichung
"Broken Statues" rückte er die Streichinstrumente noch
weiter in den Vordergrund. Mit einem ganzen Streichorchester spielte
er einige seiner früheren Titel live im Cirque Royal von Brüssel
neu ein.
Wie
auch auf dem Soloalbum von Portishead-Sirene Beth Gibbons ("Out
of season") treten auch bei Perry Blake die Triphop-Beats inzwischen
in den Hintergrund. Auf seinem aktuellen Album "Songs for someone",
das in Frankreich im April 2004, in Deutschland im Januar 2005 erschien,
werden Drums fast zum Auslaufmodell.
Selbst Geigensaiten und Stimmbänder, so scheint es, werden nur
noch gestreichelt; je mehr Instrumente und Stimmen ineinander fließen,
umso leiser und intimer wird es: Musik wider die Naturgesetze.
"Catch
the moment that I had you near", singt Blake, dessen sanfter,
verletzlicher Gesang zu Recht mit Leonard Cohen, Neil Young und Nick
Drake verglichen wird, und tatsächlich gelingt es ihm, den beschriebenen
flüchtigen Moment in Musik umzusetzen - und darin zu verweilen.
Französische
Kritiker schrieben, die Stimmungen auf "Songs for someone"
reichten von "blauem Himmel bis zur 'Blue Hour'" und empfahlen
auch gleich den richtigen Moment, in dem man das Album hören
solle: "am Abend oder in der Nacht, möglichst jener von
Sonntag auf Montag" - also in den wenigen Stunden, in denen die
alte Woche noch nicht ganz beendet sei, die neue aber noch nicht begonnen
habe. Tatsächlich verhält es sich mit diesen flüchtigen
Stunden zwischen den Wochen genauso wie mit den Perry Blake selbst:
Man möchte Zeit und Atem anhalten, um in der entrückten
Atmosphäre seiner Songs zu verweilen - ganz im Faustschen Sinne:
"Zum Augenblicke dürft' ich sagen: Verweile doch, du
bist so schön!"
©
Michael Frost, 01. Februar 2005