Die
Musik der "Zigeuner" findet schon lange überall auf
der Welt großen Anklang. Die sie machen, allerdings weniger.
Noch heute gibt es in Deutschland Städte, deren Geschäftsleute
Besen vor ihre Ladentüren stellen, um einem alten Aberglauben
zu Folge die "Zigeuner" vom Betreten abzuhalten. Und das
rassistische Kinderspiel "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann ?"
hat seine Ursprünge nicht etwa in der Diffamierung von Farbigen,
sondern ebenfalls von "Zigeunern".
Die Geschichte ihrer Vertreibung, Verfolgung und Ausgrenzung durchzieht
die Jahrhunderte europäischer und asiatischer Historie. Die Roma,
wie sich das heimatlose Volk selbst nennt, gehören noch heute
überall, wo sie leben, zu den unterpriviligierten Bevölkerungsschichten.
Weil man sie nirgendwo in Europa haben wollte, durften sie sich nie
sesshaft machen, mussten durch die Lande ziehen und ihren Lebensunterhalt
mit Arbeiten verdienen, die man "mobil" erledigen konnte:
Handel, kleinere Handwerksarbeiten, künstlerische Darbietungen
wie Musik und Artistik.
Besonders
dramatisch sah die Lebenssituation der Roma nach dem 2. Weltkrieg
in Osteuropa aus, wo ihr Bevölkerungsanteil am größten
war. Die Verfolgung der Roma etwa im Rumänien der Ceaucescu-Ära
führte zu den unglaublichsten Auswüchsen - ganze Dörfer
ließ der Diktator brutalst vernichten, aber auch in jüngerer
Zeit wurde die Situation der Roma kaum besser. Fast unbeachtet blieb
ihr schweres Schicksal in den kriegerischen Auseinandersetzungen in
Ex-Jugoslawien, im Kosovo und in Mazedonien. Jüngst machte eine
Kleinstadt in Tschechien weltweit von sich reden, weil die Mehrheit
der Bewohner mit dem Bau einer Meter hohen Mauer zu einem hauptsächlich
von Roma bewohnten Ortsteil begonnen hatte. Es bedurfte der gesamten
politischen Autorität des tschechischen Präsidenten, das
Abtragen der Mauer durchzusetzen.
Aus
Tschechien, genauer aus dem Landesteil Böhmen, stammt auch Vera
Bílá. Dort wuchs sie seit ihrer Geburt Mitte der 50er
Jahre, noch unter real-sozialistischen Bedingungen auf. Mit den Liedern,
die ihr die Mutter vorgesungen hatte, trat sie schon mit sieben auf
Festen in ihrem Dorft auf. Später lernte sie Gitarre, Klavier
und Zymbal spielen. Über Radio Free Europe lernte sie die Beatles
und die Beach Boys kennen und lieben.
In
den sechziger Jahren komponierte sie ihre ersten eigenen Lieder, aber
die Möglichkeit, außerhalb des eigenen Terrains aufzutreten,
bot sich Vera Bílá und ihrer Band erst Ende der 80er
Jahre, als der eiserne Vorhang zerriss. Die ersten internationalen
Erfolge hatte sie in Österreich und später in Frankreich.
Seit
dem Erscheinen ihrer Compilation "Queen of Romany" wird
Vera Bílá immer wieder mit der kapverdischen Diva Cesaria
Evora verglichen, zu deren "Mornas" es tatsächlich
viele hörbare Parallelen gibt.
Vera
Bila ist einer der gefragtesten Stars des so genannten "Rom-Pop",
einem Musikstil, der vor allem durch Bands wie die "Gypsy Kings"
berühmt wurde. Anders diese Männer-Truppe aber verweigert
sich Vera Bílá der Banalisierung der Roma-Kultur. Anders
als die "Gypsy Kings" singt sie in Romanes, der Sprache
der Roma: "Wir singen, um die Sprache zu retten. (...) Es
hat eine Wärme, die ich anderswo nicht finde."
Auch
ihr jüngst erschienenes neues Album "Rovava", das sie
mit ihrer Band "Kale" aufnahm, singt sie überwiegend
in Romanes. Doch statt sich vom kommerziellen Rom-Pop zu distanzieren,
holte sie ihn einfach mit ins Boot: Auf "Rovava" ist Chico,
Ex-Gitarrist der Gypsy Kings als Gast-Sänger dabei, außerdem
die polnische Sängerin Kayah.
Inhaltlich
unterscheidet sich Vera Bílá aber weiterhin von den
bekannten Vertretern des "Rom-Pop": Ihre Texte spiegeln
oft die Lebenswirklichkeit der Roma wieder, wechseln zwischen Alltagserlebnissen,
Liebeslied und Liebesleid, Sozialkritik und politischer Selbstbehauptung.
Zum Beispiel im Lied "Baron romane chavore" (Die Roma-Kinder
wachsen auf); dort heißt es:
"Die
Romakinder wachsen auf, wachsen auf in Armut. Aber die Roma können
nichts dagegen tun, die Gadsche (Bezeichnung für die Nicht-Roma)
schlagen sie. Kommt Roma, kommt alle ! Lasst uns zusammen stehen
! Vereinigt euch, Roma ! Wir ergeben uns nicht."
Michael
Frost / 01.06.2001
Update: 15.04.2002
Foto: www.bmg.cz