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In Schönheit schwelgen


Man ist bisweilen etwas misstrauisch gegenüber immer neuen Musikern aus Island. Wie ist es nur möglich, dass dieses 300.000-Seelen-Volk so viele Künstler, und dann noch solche von internationalem Rang, hervorbringt? Bardi Johannsson ist nurmehr das aktuellste Beispiel in einer immer länger werdenden Liste innovativer Musiker aus dem ganz hohen Norden. Neu ist sein Name allerdings nicht, denn "Ghosts from the past" ist bereits das dritte Album seines Projekts "Bang Gang", das nach Band klingt, in Wahrheit jedoch Johannsson selbst ist, ergänzt lediglich um den einen oder anderen Gast.

Denn Bardi Johannsson ist jemand, der die Zügel gern selbst in der Hand hält. Man merkt es seiner Musik an, die sich als eigener, in sich versunkener Kosmos präsentiert. Ein Meer, ein ganzer Ozean aus Klängen, mal so üppig orchestral wie die Arrangements von Benjamin Biolay, dabei episch wie ein Morricone-Soundtrack, mal so kühl und elektronisch, als wollte er Air Konkurrenz machen - und am liebsten so, dass alles ineinander fließt. Schon sein Album "Something wrong" war nach dieser Art gestrickt, und "Ghosts from the past" ist es, Bardi sei Dank, auch.

Im Unterschied zu den meisten seiner isländischen Kollegen, die ihre Karriere via London starteten, ging Bardi Johannsson nach Frankreich. Dort ist er seither deutlich bekannter als im Rest des Kontinents, zumal er in Paris schon früh auf eine Kollegin traf, deren Stimme zunächst als Gast auf "Something wrong" zu hören war: Keren Ann, anfangs ein viel versprechendes Talent des Neo-Chanson, inzwischen eine hoch gelobte Songwriterin von internationalem Format. Die Zusammenarbeit der beiden dauert bis heute an: Johannsson ist an ihrem aktuellen Album "Keren Ann" ebenso beteiligt wie sie an seinen "Ghosts from the past", nämlich als Koautorin und Gastsängerin des Stücks "Don't feel ashamed". Doch der bisherige Höhepunkt ihrer Kooperation liegt schon eine Weile zurück: 2003 überraschten Keren Ann und Bardi Johannsson mit dem schräg-genialen Konzeptalbum unter dem Pseudonym als "Lady & Bird".

Mit "Ghosts from the past" nun kommt Johannsson nach fünfjähriger Pause mit "Bang Gang" zurück. In der Zwischenzeit schrieb er für Kollegen und Filmsoundtracks - letzteres ein Genre, das von seinen Bang Gang-Alben gar nicht so weit entfernt scheint: Das Titelstück des neuen Albums etwa ist sein eigener Film, mit einer mitreißenden Melodie, catchy Refrains, raffinierten Arrangements und einer aufwühlenden Dramaturgie.

Obwohl Johannsson, wie er immer wieder durchblicken lässt, dem Rock der 60er und 70er Jahre, insbesondere offenbar Pink Floyd, verbunden ist, kann er nicht davon lassen, in der Schönheit seiner Melodien zu schwelgen. Er hat einfach ein untrügliches Gespür für den große Geste, für den magischen Moment, den aufwühlenden Augenblick, in dem eine Komposition ihren Zuhörer vollends in ihren Bann zieht.

Darin wiederum ist Johannsson ein typischer Isländer. Wir kennen diese Atmosphäre aus der Musik von Sigur Rós, doch bei ihm wirken sie vertrauter, eingängiger, gegenwärtiger - und sie haben den Mut zum Ohrwurm, auch zu altersweisen Zeilen wie diesen: "We waste our lives to chase a dream // we burnt the path to what is real // let's give it a try // One more trip makes us // want to go back to the place that we belong ..."

Dieser Erkenntnis folgend hat Johannsson Island natürlich nie ganz verlassen. Erst im Juni kehrte er - gemeinsam mit Keren Ann - für ein ganz besonderes Ereignis nach Reykjavik zurück. Im Rahmen eines Kunstfestivals feierten beide die Albumveröffentlichung mit einem gemeinsamen Konzert und Stücken ihrer jeweils eigenen und gemeinsamen Alben - begleitet vom achtzigköpfigen Nationalen Symphonie-Orchesters. Vielleicht ist dies einer der Gründe für den ständigen künstlerischen Nachwuchs von der Eisinsel: Dort scheint man seine Künstler zu hegen und zu feiern, und Genregrenzen erfüllen lediglich den Zweck, sie zu überwinden. Bardi Johannsson macht es vor.

Bang Gang: "Ghosts from the past" erscheint am 15.08.2008 bei Discograph/AL!VE.

© Michael Frost, 10.08.2008

 

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