Als
Amparo Sanchez 1993 aus ihrer Heimatstadt Granada nach Madrid aufbrach,
galt sie bereits als "Andalusiens schönste Stimme". Den
Ruf hatte sie sich als Sängerin ihrer Band "Cerrecaminos"
erworben. Blues, Jazz, Rock'n'Roll und Soul seien die Rhythmen der Band
gewesen, erzählt Amparo rückblickend auf ihrer Website. Doch
auch die spanische Hauptstadt erwies sich schnell als zu klein für
die ungeheure Neugier von Amparo Sanchez. Im Reggae, aber auch in der
Musik lateinamerikanischer Einwanderer entdeckte sie Impulse für
die eigene Musik.
Musikalische
Entdeckungsreisen führten sie bald nach Marokko, dann nach Marseille,
wo die französische und europäische Musik auf die Traditionen
von Einwanderer des Maghreb und Westafrikas trafen. In dieser Szene
fühlte sich Amparo Sanchez zu Hause. In dem musikalischen Dreieck
zwischen Latino, Punkrock und Flamenco schuf sie sich ein eigenes
Territorium und einen Ausdruck, der bis dahin unbekannt war.
Einen
"geistigen" Verwandten fand sie später in Manu Chao,
dem Gründer und früheren Frontmann der französisch-spanisch-arabischen
Ethnopunk-Band Mano Negra. Ihm und seiner neuen Band "Radio Bemba
Sound System" war sie in Madrids Multikulti-Viertel Malasana
begegnet, später begründeten sie und weitere Musiker aus
Spanien, Frankreich und Südamerika die pulsierende Underground-Szene
von Barcelona.
"Die
Idee war Rhythmen und Stile zu mixen, die Freude der Rumba auf die
'Ranchera' zu übertragen, oder Bolero und Ska ...", erläutert
Amparo. Im Dezember 1996 entstand ein erstes Demo mit ihrer neu gegründeten
Band, die sie "Amparanoia" nannte. Der Ruhm kam schnell:
die junge, aufgeschlossene und experimentierfreudige Musikszene Spaniens
schien auf eine Band wie Amparanoia nur gewartet zu haben, und zudem
konnten die Musiker schnell zu den vielen anderen Bands aufschließen,
die sich in einem ähnlichen Metier versuchten. Im Sommer 1997
trafen sich viele dieser jungen Bands zum "Galiza Tropical"-Festival
im französischen Lyon. "Freundschaften entstanden, viele
Bands, Kinder, Bücher und Träume wurden daraufhin geboren
..."
Im
Jahr darauf entstand das Album "Feria furiosa". Amparo hatte
neue Ideen von einer ausgedehnten Kubareise mitgebracht. Mit ihrer
Band und zahllosen Gästen, darunter wiederum Manu Chao, wurde
das Album eingespielt - gefolgt von einer Tour, die bis zum November
1999 dauerte und eine ausgepowerte Band hinterließ. Erst Ende
des darauf folgenden Jahres fand Amparanoia wieder zusammen, diesmal
mit mexikanisch gefärbtem Sound: Beeindruckt von ihren Begegnungen
mit den Zapatistas, der indigenen Bürgerrechtsbewegung Mexikos,
beschloss Amparo, sich in den Dienst dieser Freiheitsbewegung zu stellen
und organisierte gemeinsam mit befreundeten Musikern, darunter Wagner
Pa und Eldy Isak (Ojos de Brujo) eine Tour durch die größten
Städte Spaniens.
Inzwischen
gehören Amparanoia zu den etablierten Bands in Spanien. Ihr Album
"Somos viento" (2002) führte die Band erstmals in andere
Regionen Europas, u.a. nach Holland, Belgien und Italien, 2003 auch
nach Deutschland. Durch Bands wie Calexico, mit denen sie zusammen
arbeitete, fand ihr Sound Eingang in den internationalen Mainstream,
und überall in Europa und Lateinamerika haben sich junge Bands
formiert, die ihrem Beispiel folgen. Die Mischung aus Punk, Rock,
Ska, Ethno, Flamenco und Rumba ist längst keine Ausnahme mehr.
Man findet sie in Frankreich bei Le Peuple de l'Herbe oder Babylon
Circus, in Südamerika bei Karamelo Santo und No te va gustar,
in Mexiko bei Los de Abajo - und natürlich immer wieder bei Amparanoia
selbst. Jetzt gerade erschien ein weiteres Album der Spanier: "La
vida te da", live in den Garate Studios "im Baskenland"
aufgenommen, wie die Band betont, und wiederum ist der Band ein mitreißendes
Dokument der multi-kulturellen Gegenwart Spaniens gelungen, gleichermaßen
politisches Bekenntnis und sinnliches Erlebnis.
©
Michael Frost, 16.03.2006
"La
vida te da" erscheint als CD mit Bonus-DVD bei Wrasse Records/Harmonia
Mundi (WRASS 171)
Amparanoia Tourdaten