Traditionelles
Liedgut in deutscher Sprache hat es schwer. Eingekesselt zwischen
deutschtümelnden Nationalisten einerseits und den Moikschen Musikantenstadln
andererseits haben die meisten im Lande den Bezug zum traditionellen
"Volkslied" verloren. Schade eigentlich, denn die Vergangenheit
birgt durchaus ein einen oder anderen poetischen und melodiösen
Schatz, der vor der Vergessenheit oder dem Missbrauch von Rechtsaußen
bewahrt werden sollte.
In
den 80er Jahren gab es, stärker als heute, Ansätze, die
emanzipatorische und demokratische Tradition deutscher Volkslieder
hervorzuheben, alte Texte mit neuen Melodien zu versehen (bzw. umgekehrt)
und das ramponierte Image der Folklore aufzupeppeln. Zu den wohl wichtigsten
Vertretern dieser jungen Bewegung gehörte Zupfgeigenhansel, bestehend
aus Thomas Fritz, Erich Schmeckenberger und wechselnden instrumentalen
Begleitern.
Auf
mehreren Alben pflegten Zupfgeigenhansel vor allem politisches Liedgut,
mit dem sie zum Teil der Alternativ- und Friedensbewegung avancierten.
Ihre überwiegend leisen und poetischen "Liebeslieder",
1984 erstmals als LP veröffentlicht, erreichten dennoch den gleichen
Zuspruch, obwohl das
Album seltsamerweise nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwand.
Das kleine Pläne-Label hat die "Liebeslieder" jetzt
auf CD neu veröffentlicht.
Erich
Schmeckenberger über die "Liebeslieder": "Von
den zehn Liedern sind grade mal 6 klassische Traditionals. 'Es blies
ein Jäger...' ist textlich neu bearbeitet, zu einem Text von
Goethe habe ich mir erlaubt eine Melodie zu machen. Zwei Lieder sind
komplett neu geschrieben, ganz oder teilweise zusammen mit den Freunden
H.E.Wenzel und Steffen Mensching, die damals im noch ummauerten Osten
unseres Landes wohnten und nicht raus durften ..."
Vieles
hat sich seitdem geändert, manches zum Positiven, manches ist
bedauerlich: Zupfgeigenhansel existieren heute leider nur noch auf
CD. Ihr Anliegen der Bewahrung positiver und demokratischer Traditionen
deutschsprachiger Kulturgeschichte ist jedoch weiterhin aktuell.
Michael
Frost, 29. Juni 2002