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"Beija a mim"
Von der Samba-Muse geküsst

 

Wenn Portugiesen von der "saudade", der Sehnsucht, singen, dann meistens in Form eines schwermütigen Fados. Wenn Brasilianer das gleiche Wort singen, kann daraus etwas komplett anderes werden, z.B. rhythmischer, elektronischer, cooler Dance-Pop mit dem Titelzusatz "Beija a mim" (Küss mich!). So jedenfalls machen es Zuco 103 vor, die zu den interessantesten Vertretern und Erneuerern brasilianischer Musik zählen, seit sie 1999 ihr Debütalbum mit dem programmatischen Titel "Brazilectro" veröffentlichten.

Interessanterweise sind die drei von Zuco 103 gar nicht in Braslien zuhause, sondern in Amsterdam. Dort waren sich die gebürtige Brasilianerin Lilian Vieira, der Münchener Stefan Schmid und der Niederländer Stefan Kruger 1998 begegnet. Vieira hatte zuvor in Rotterdam Gesang studiert, Schmid und Kruger arbeiteten bereits gemeinsam an anderen Projekten.

Mit ihrem Projekt Zuco 103 brachten sie nun Samba und Bossanova mit elektronischen Beats zusammen und traten damit eine Bewegung los, die bis heute nicht abreißt und in endlosen Compilation-Reihen immer neue Fortsetzungen findet - zwangsläufig auch mit Abstrichen bei der Kreativität.

Vielleicht auch deshalb haben Zuco 103 sich mit ihrem neuen Album wieder ein Stück von der selbst geschaffenen Bewegung entfernt: Auf "After the carnaval" bleibt die Elektronik zwar präsent, aber dezent im Hintergrund, während Rhythmus, Harmonien und Gesang im Vordergrund stehen. Das Album beantwortet damit gewissermaßen die Frage, was "nach dem Karneval" übrig bleibt, nach der Show, nach dem Hype: die Musik.

Damit ist nun nicht zwangsläufig die Rückkehr zum konventionellen Sound gemeint, doch Vieira, Schmid & Kruger zeigen, dass sie die Gratwanderung zwischen seelenlosem Loungesound und uninspiriertem Brasilien-Pop aus der Retorte weiterhin grandios beherrschen. Songs wie "She" mit hypnotischem Chor-Refrain oder "Fulero" mit Banjo im Staccato-Rhythmus sind dafür ebenso gelungene Beispiele wie der bereits erwähnte Umgang mit der "saudade" in "Beija a mim" - ganz offenkundig ist die Samba-Muse der Aufforderung bereits nachgekommen.

 

© Michael Frost, 30.11.2008


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