Die
aus der russischen Republik Tuva stammende Band Yat-Kha gehört
seit einigen Jahren zu den wichtigsten Vertretern der so genannten
Weltmusik. Tuva liegt direkt an der Grenze zur Mongolei, wo der Kehlkopfgesang
eine lange Tradition hat. "Kanzat" nennt sich die spezielle
Technik, die Yat-Kha-Sänger Albert Kuvezin beherrscht wie kein
Zweiter: "Eine Spezialform des Untertongesangs, so unglaublich
tief, dass er selbst das Chanten tibetischer Mönche wie Falsettgesang
klingen lässt".
Trotz
seiner Nähe zur musikalischen Tradition seiner Heimat ist Kuvezin
ein großer Fan westlicher Rockmusik. Seine Begeisterung stammt
noch aus den Zeiten der Sowjetunion, als es nicht nur ungemein schwierig
war, überhaupt an die entsprechenden Schallplatten zu kommen
(zumal in einer abgelegenen Region wie Tuva), sondern er als Musiker
zusätzlichen Restriktionen unterlag, wenn er Cover-Versionen
seiner Lieblingssongs öffentlich spielen wollte.
Diese
Zeiten haben sich glücklicherweise geändert. Kuvezin ist
ein gefeierter Star auf den Festivalbühnen zwischen Roskilde,
Glastonbury und Monterey, und wie Zeitreisende wandeln er und Yat-Kha
zwischen asiatischer Tradition und angloamerikanischer Moderne. Daraus
wurde inzwischen ein Prinzip, und neuerdings auch ein Album: "Re-Covers".
Die
CD enthält einen überraschend breiten Querschnitt einiger
der bedeutendsten Songs und Künstler der letzten Jahrzehnte,
darunter Led Zeppelin, Peter Green, Bob Marley und die Rolling Stones.
Yat-Kha dekronstruierten deren legendäre Songs (u.a. "Black
magic woman", "Love will tear us apart", "When
the levee breaks", "Exodus", "Play with fire")
und spielten sie im Stil ihrer Vision vom "Tuva Rock" (so
lautet übrigens auch der Titel ihres vorigen Albums) neu ein.
Traditionelle
Instrumente und der dunkle, raue Gesang Kuvezins, dessen Charisma
gelegentlich an Tom Waits erinnert (allerdings noch einmal so tief),
geben den sattsam bekannten Songs völlig neue Klangfarben, und
es wäre mehr als spannend, den Autoren der Heavy-Metal-Band Motörhead
Yat-Khas entrückt-psychedelische Balalaika-Fassung ihres Songs
"Orgasmatron" vorzuspielen, oder "Man machine",
eine kaum noch erkennbare Adaption des Kraftwerk-Songs.
Am
Ende dieses ungewöhnlichen Ausflugs, der Yat-Kha außerdem
noch in die Gefilde irischer Folklore ("The wild moutain thyme",
Chieftains) und französischer Klassik ("Toccata", Paul
Mauriat) führt, kehren die Mongolen nach Tuva zurück. "Pesnya
mergena" stammt von Alexei Baktrevitch, einem tuvanischen Komponisten.
So
schließt sich am Ende der Kreis eines der ungewöhnlichsten
Cover-Projekte der letzten Zeit. Und erneut hat wieder einmal eine
Band unter Beweis gestellt, dass die Welt eigentlich ein (globales)
Dorf ist, in dem selbst als gegensätzlich Empfundenes in trauter
Eintracht leben kann. Man braucht nur den Willen, die Gemeinsamkeiten
zu erkennen und das kreative Potenzial sie zusammenzuführen.
Wenn das Ergebnis dann klingt wie auf "Re-Covers", dann
hat man alles richtig gemacht.
©
Michael Frost, 19.07.2005