Man glaubt es kaum: Der Mann, der cool und lässig mit Sonnenbrille, Hut und Lederanzug aus dem Beiheft zur CD spitzt, ist dieser Tage 50 geworden. Die Rede ist von Paul Weller, der gemeinhin als „Godfather Of Brit-Pop“ gilt. Das schönste Geschenk zu seinem Wiegenfeste hat er sich selbst gemacht: „22 Dreams“ heißt es und ist eine musikalische Offenbarung der ganz besonderen Art.
Im reifen Alter von 50 Jahren, in dem so mancher Kollege seinen künstlerischen Zenit längst überschritten hat, läuft der Engländer, der seit 30 Jahren aktiv ist, zur kreativen Höchstform auf, kleckert wo andere klotzen. Der Sänger und Gitarrist, der einst mit der Gruppe „The Jam“ als kämpferischen New-Wave-Rebelle von sich reden machte und später mit „Style Council“ schwarze Popmusik aus weißen Kehlen intonierte, ehe er als Solokünstler große Erfolge feierte, knüpft an eine alte Kunstform an: Das Doppelalbum.
Das waren noch Zeiten, als Alben wie „Pet Sounds“ oder „Sgt. Pepper“ Herausforderung und Nervenkitzel zugleich für Musiker und Musikhörer bedeuteten. Dieses Gefühl beschleicht einen, wenn man sich das neue Opus von Weller zu Gemüte führt. Von Schubladendenken hält der frischgebackene Fünfziger überhaupt nichts: „Für mich entspringt jede Form von Musik der gleichen Quelle. Manchmal steht mir der Sinn nach Debussy, dann wieder nach Avantgarde-Jazz oder einem Soulalbum von Curtis Mayfield.“ Von dieser stilistischen Vielseitigkeit lebt das neue Werk.
Feuriger Folk, avantgardistische Rockexperimente, grooviger Jazz, verträumte Tangoklänge, ein romantisches Wiegenlied, das der klassischen Musik entsprungen ist, eine jazzige Hommage an Alice Coltrane, aufbrausende Rocktöne, Worte voller Spiritualität, zärtliche Pop- und Soulballaden – Weller kennt keine Berührungsängste, klingt immer frisch, wagemutig und feinsinnig.
Auf seinem Meisterwerk hat er eine illustre Gästeschar versammelt: Robert Wyatt („Softmachine“), Noel Gallagher („Oasis“), Graham Coxon („Blur“), Aziz Ibrahim (ex-„Stone Roses“) und einige andere mehr geben sich die Klinke in die Hand. Und bringen ihre Kreativität mit ein. Für einen alten Weller-Fan, wie mich, ist “22 Dreams” die Krönung seines bisherigen Schaffens.
"Paul Weller: 22 dreams"
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel
© Stephan Stöckel, Juni 2008