Wieder
so ein Künstler, der in seiner französischen Heimat eine Berühmtheit
ist, bei uns jedoch fast unbekannt: Laurent Voulzy, der den Grundstein
seiner Karriere 1974 legte, als er sich mit Alain Souchon zu einem der
erfolgreichsten Songwriter-Duos in der Geschichte des französischen
Pop zusammentat.
Der
immer wieder als schüchtern beschriebene Song-Komponist Voulzy,
der auch als "langsamster Musiker" seines Landes beschrieben
wird (oft veröffentlichte er unter eigenem Namen nur ein einziges
Lied pro Jahr), bleibt auch auf seinem aktuellen Album äußerlich
bescheiden im Hintergrund und zeigt auf dem Cover ein Mädchen
mit Gitarre. Es handelt sich dabei um die Tochter des Fotografen Jean-Baptiste
Mondino, die Laurent Voulzys erste Gitarre überhaupt in der Hand
hält. Auf weiteren Fotos im Album-Beiheft sieht man dann Voulzy
selbst, jeweils mit einer anderen Gitarre, sie markieren allesamt
Stationen seiner Karriere.
Drei
Jahre, so heißt es, habe er an der Produktion von "Avril",
seinem auch in Deutschland (BMG) veröffentlichten Album gearbeitet.
Beschäftigt hätten ihn einzelne Lieder des Albums aber bereits
seit 1996, sagt er.
Zehn
Jahre sind seit seinem letzten Album "Caché derrière"
vergangen - ein Albtraum für jede Plattenfirma, mutmaßte
jüngst LE MONDE in einem Interview mit Voulzy. Er antwortete
lapidar, er investiere eben was notwendig sei, um genau die Musik
zu produzieren, die er sich vorstelle. Er denke dabei an Coppola beim
Dreh von "Apocalypse Now", der sein Haus belastet und sich
verschuldet habe, um das nach seinem Verständnis notwendige Budget
zur Realisierung des Films zur Verfügung zu haben.
Für
seine musikalische Visionen, die er irgendwo zwischen gregorianischem
Gesang, Brasilien, den Beatles und Techno angesiedelt sieht, geht
Voulzy folglich keine Kompromisse ein.
Auch
dank der sehr persönlichen Texte, die zumeist aus der Feder seines
langjährigen Kollegen und Freundes Alain Souchon stammen, ist
"Avril" ein sehr privates, vielleicht biografisches Album
geworden, das die Stationen im Leben von Laurent Voulzy beleuchtet,
der 1948 als Kind einer kreolischen Mutter aus Gouadeloupe in Paris
auf die Welt kam.
Die
Heimat seiner Mutter hat er 1983 zum ersten Mal besucht, dennoch Vertrautes
"wiedergefunden", und einige karibische Einsprengsel gibt
es auch auf "Avril" zu hören. Eine Hommage an Gouadeloupe
ist der in karibischen Rhythmen gehaltene Titel "Amélie
Colbert".
Insgesamt
jedoch ist das Album eine Sammlung schöner und leichter Pop-Harmonien,
die zeitlich kaum zu verorten sind und - wie das Segelboot auf Voulzys
liebevoll gestalteter Website - auf sanften Wellen jenseits von Ziel
und Heimathafen dahinzuschweben scheinen - Wellen, die das von einer
warmen Frühlingsbrise angetriebene Boot Richtung Sommer tragen.
Voulzy
gilt in seiner Heimat als stark von der Musik der Beatles beeinflusst.
Deutliche Anklänge an deren Musik sucht man auf "Avril"
zwar eher mit der Lupe (außer vielleicht in der wunderschönen
Ballade "Je suis venu pour elle", die ein wenig an die Solo-Aufnahmen
von John Lennon erinnert), aber Voulzy selbst sagt, "I want you",
den 13-minütigen hypnotischen Abschlusstitel auf "Avril"
(mit Manu Katché am Schlagzeug), hätte es ohne George
Harrison, dessen Gitarrenspiel und seine Beeinflussung durch indische
Kultur und Philosphie wahrscheinlich nie gegeben.
Da ist sie wieder, die Bescheidenheit des Laurent Voulzy.
Michael
Frost, 30.03.2002
Zitate: Le
Monde