Der holländische Trompeter Eric Vloeimans (1963) weiß um die Gefährdung, risikolos in den gemäßigten Zonen des Schönklangs zu surfen, anstatt die Grenzen der Musik zu erweitern. Auf der Suche nach einer neuen Einfachheit, nach neuen Beziehungen zwischen klaren Melodien und Improvisation, zwischen Folklore, Weltmusik sowie Rock- und Popelementen hat sich der gegenwärtige Jazz weit entfernt von der Coolness und dem Fieber der 40-er und 50-er Jahre.
Dass es möglich ist, diese Reise jenseits von Konventionen und Klischees anzutreten, zeigen Eric Vloeimans und seine beiden Mitstreiter Harmen Fraanje (piano) und Anton Goudsmit (Gitarre). Sie haben unter dem Namen „Fugimundi“ ein Livealbum veröffentlicht, das am 13. Oktober 2008 in im Yoshi´s Jazz Club Oakland/USA aufgenommen wurde.
Der Jazz, den die drei Europäer nach Amerika tragen, spricht nicht vom Fieber der Großstadt, sondern von der Sehnsucht nach Ruhe, nach Landschaft, nach vorgefundenen Melodien, nach einer fast sakralen Schlichtheit, die jedoch umschlagen kann in rockenden Groove. Eric Vloeimans wechselt die Klangfarben seines Instruments vom druckvollen bis zum samtweichen Sound mit gelöster Geschmeidigkeit. Bis auf den Evergreen „Somewhere over the rainbow“ haben die drei Musiker ihre Stücke selbst geschrieben.
Sie bewegen sich zwischen streng durchkomponierter Kammermusik („Ernesto“), Weltmusik-Anspielungen (Corleone/Fatima), ohrwürmigen Songs (Harry Bo), weit gespannten Jazz-Improvisationen (Philip). Ihre Instrumentierung bleibt immer transparent, die Themen werden nicht dick aufgetragen, sondern geradezu vorsichtig fragend angedeutet, manchmal fast verstohlen, so lapidar, als müsste erst erkundet werden, wie haltbar sie sein würden.
So entkleidet sich Fugimundi jedweder Trivialität und der Wärmestrom ihres musikalischen Materials wirkt umso stärker. Dem platt gebügelten „Somewhere over the rainbow“ geben die Musiker auf diese Weise überraschend Intensität und Intimität zurück. Die drei Jungs aus Europa verabschieden sich mit sanftem Humor, indem sie zum Schluss eine Urform des amerikanischen Jazz herbeizitieren, einen lässig hingegelegten Boogie-Blues, der wie ein respektvoller Gruß an jene Stadt klingt, in der der Jazz entstanden ist.
In Fugimundis wunderbarem Livealbum lebt ein Jazz der Gegenwart, der seine uralten Wurzeln nicht leugnet, mag er sich auch ganz anders entwickelt haben, als etwa Freddie Hubbard (siehe Beitrag über "Without a song") und seine New Waver es vor einem halben Jahrhundert gewünscht hätten.
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Hans Happel, 12.12.2009