Manche Musiker ziehen die Einsamkeit vor, wenn sie an den Aufnahmen für ein neues Album arbeiten. Ein abgeschlossenes Studio in einem abgeschiedenen Ort erscheint ihnen als optimale Voraussetzung für konzentriertes Arbeiten. Die dänische Band "Vincent von Go Go" ging den umgekehrten Weg. Nachdem ihr Produzent Bruno Guez festgestellt hatte, dass den Einspielungen etwas Wesentliches fehlte, lud er kurzerhand Publikum ins Studio ein.
Die Band war von der Erfahrung derart überzeugt, dass sie schließlich das komplette Album live einspielte. Im Kopenhagener Studio "Delta Lab" wurden die zwölf Stücke in acht Tagen vor ständig wechselndem Publikum aufgenommen. "Das war eine gute Idee", schrieb die Band in dem vom dänischen Musikmagazin Gaffa veröffentlichten Studiotagebuch, "es kamen Teelichte auf den Tisch, und zusammen mit Dosenbier und Jägermeister bewirkte die Stimmung, dass unsere Vision lebendig wurde."
Dabei sind die Aufnahmebedingungen ebenso ungewöhnlich wie die Band selbst: Vincent van Gogo sind Johannes Nørlykke, Dennis Ahlgren, Janus nevel Ringsted, Thomas Månsson und Kristian Kold. Sie mixen ihren Sound auf "People" aus Funk, 70er Jahre Discosoul, Jazz und Reggae. Dabei verzichten sie auf jede künstliche Effekthascherei, sie entwickeln ihren Rhythmus mit großem Einfühlungsvermögen, bis ihnen sowohl die vielen elektrisierend schnellen und äußerst tanzbaren Songs als auch langsamere Blues-Tempi ("At") gelingen.
Im Gegensatz zu vielen amerikanischen Kollegen, die ihre Arrangements und die Gesangspartien oft allzu pathetisch gestalten und schließlich knietief im Kitsch versinken, bleiben Vincent van Go Go - typisch nordisch - ebenso kühl wie kühn bei ihrem reduzierten Lofi-Konzept, dessen Wirkung sie vor dem versammelten Publikum jeweils direkt ausprobieren konnten, bis sie exakt das geplante Ergebnis erreichten - trotz, oder gerade wegen Dosenbier und Jägermeister.
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Michael Frost, 30.04.2008