Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Gegen den Strich


Man muss wohl die Fähigkeit besitzen, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, wenn man seine Musik so konsequent gegen den Zeitgeist bürstet wie Tuomo Prättälä. Vielleicht ist es dabei eine Hilfe, wenn man Finne ist. Denn abseits der Trendzentren der Musikwelt in England und den USA lässt es sich manchmal vielleicht viel besser, weil unbeobachteter, experimentieren.

Tuomo jedenfalls hat sich einem Sound verschrieben, den viele von uns noch aus den Titelmelodien US-amerikanischer Krimiserien aus den 60er und 70er Jahren kennen: irgendwo zwischen Funk und Soul, Easy Listening und Big-Band-Jazz, und dabei ungeheuer cool und urban. Vor dem geistigen Auge sieht man riesige Straßenkreuzer passieren, wie es sie in Europa nie gab - ebenso wenig wie diese spezielle Musik jemals eine europäische Entsprechung fand.

Dass es Tuomo, quasi mit einigen Jahrzehnten Verspätung, dennoch gelingt, diesen ur-amerikanischen Sound zu seiner Sache zu machen (wohl nicht zufällig nennt er sein Debüt "My Thing"), ist eine veritable Überraschung.

Jamiroquai und Terence Trent d'Arby schlägt seine PR-Agentur ebenso als Referenzen vor wie Jackson5 oder The Tempatations, Kool & The Gang, sogar Santana wären zu ergänzen, und sowieso die Protagonisten des von Geigenläufen unterstützten Philadelphia-Sounds ("Phillysound"): The Intruders und die O'Jays. Einige seiner 13 Titel, allen voran das grandios groovende "Ballroom girl" vereinen die besten Zutaten seiner Vorbilder.

Obgleich das Album mitreißend ist, darf wohl bezweifelt werden, ob es Tuomo gelingt, mit seiner ungewöhnlichen Rückbesinnung auf die amerikanische Musik der Prä-Beatles-Ära eine Welle loszutreten. Doch immerhin: Mit spielerischer Leichtigkeit und spürbarem Enthusiasmus holt er diese vergangen geglaubte Epoche zurück in die Gegenwart. In seiner Heimat stieg "My thing" sogar in die Charts. Aber die Finnen hatten schon immer ein Faible für Künstler, die gegen den Strich gebürstet waren. Selbst wenn sie anschließend Frisuren trugen wie die Leningrad Cowboys.

© Michael Frost, 14.07.2007

 


[Archiv] [Up]