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Die Stimme gefunden


Burt Bacharach gilt als Begründer des "Easy Listening"-Sounds: Musik, die so eingängig und harmonisch ist, dass man sie manchmal gar nicht mehr bewusst wahrnimmt; Musik ohne aufwühlende Dramatik, aber oft mit großer Geste. Praktisch jeder seiner Songs ist eine klassische, perfekte Eurovision Song Contest-Hymne, doch da Bacharach Amerikaner ist, zählen seine Kompositionen zum "Great American Songbook".

Was Kritiker bisweilen verächtlich als "Fahrstuhlmusik" geißeln, ist in Wahrheit große Kunst. So erscheint es nur auf den ersten Blick als ein Witz, dass Bacharach 2001 ausgerechnet mit Karlheinz Stockhausen, einem der Vordenker der Neuen Musik, mit dem Polar Musikpreis, der als inoffizieller Nobelpreis für Musik gilt, ausgezeichnet wurde.

In Wahrheit gelingt es nur wenigen Sängerinnen, den Ansprüchen Bacharachs gerecht zu werden. Denn um das von ihm angestrebte "Easy Listening"-Gefühl zu erreichen, darf der Gesang weder Ecken noch Kanten haben; nichts, was die absolute Harmonie stören dürfte - und muss aber gleichzeitig über einen individuellen Ausdruck, einen Wiedererkennungswert, verfügen - also den Kreis zum Quadrat umfunktionieren.

Deshalb kommt es fast einem weiteren Nobelpreis gleich, wenn Vince Mendoza, einer der erfolgreichsten Jazzorchester-Leiter und Arrangeure, heute sagt: "Ich glaube, dass Burt nach dem Erfolg mit Dionne Warwick lange Zeit nach einer Stimme gesucht hat, die seine Songs in seinem Sinne interpretieren kann. Mit Traincha, glaube ich, hat er diese Stimme endlich gefunden. Sie hat das gewisse Etwas, das seine Songs zum Leben erweckt. Es gelingt ihr, selbst schwierige Lieder ganz einfach klingen zu lassen."

Die so geadelte niederländische Sängerin, die eigentlich Trijntje Oosterhuis heißt, hat nun bereits zum zweiten Mal ein Album mit Bacharach-Kompositionen veröffentlicht; Lieder, die man zum Teil seit Jahrzehnten kennt: "What the world needs now", "Don't go breaking my heart", "Raindrops keep falling on my head" - um nur einige zu nennen, aber auch einige weniger bekannte Stücke, darunter zwei, die Bacharach mit Elvis Costello schrieb: "God Give Me Strength" und "Painted From Memory". Neu hingegen ist der Titelsong "Who'll speak for love" - Bacharach schrieb es für Traincha, Tim Rice lieferte den Text.

Keine Frage, dass die gesamte Produktion perfekt ist. Burt Bacharach, einmal überzeugt, dass er in Traincha eine kongeniale Partnerin für die Umsetzung seiner Musik fand, überließ nichts dem Zufall. Mit Vince Mendoza dirigiert einer der versiertesten Bacharach-Kenner überhaupt das Metropole Orchestra, für den Ton sorgte der 17-fache Grammy-Gewinner Al Schmitt, Patrick Williams produzierte das Album und arrangierte die meisten Lieder - gleiches tat er bereits für Sinatra und Paul Anka, aber auch schon für Bacharach.

Am Ende klingt alles so atemberaubend perfekt, dass man es kaum für möglich hält. Man mag dieser Musik vorhalten, dass sie altbacken und konservativ klingt, da sie sich jeder Modernität verweigert - sogar das Booklet wurde der Optik legendärer Blue Note-Alben aus den 60er Jahren angepasst (selbst der "Stereo"-Hinweis darf nicht fehlen) - doch die perfekte Umsetzung der Absicht aller Beteiligten kann ihr keinesfalls abgesprochen werden. Ihre Landsleute eroberte sie damit im Sturm: "Who'll speak for love" wurde schon zwei Wochen nach der Veröffentlichung mit Platin ausgezeichnet.

So überzeugt Traincha spätestens mit diesem zweiten Teil des "Burt Bacharach Songbook" auch hart gesottene Skeptiker: Hörte man diese Musik im Fahrstuhl, man würde wohl deutlich länger als nötig darin auf- und abfahren.

© Michael Frost, 21.03.2008

 


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