Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Bilderflut


Der Hinweis ist natürlich unvermeidlich, deshalb stellen wir ihn auch diesmal gleich an den Beginn: Yann Tiersen ist der Komponist des einzigartigen Soundtracks zum französischen Kino-Hit "Die fabelhafte Welt der Amélie". Und des deutschen Kino-Hits "Good bye Lenin". Für beide Werke wurde er zu einem der namhaftesten Musiker Frankreichs und entsprechend mit zahllosen Preisen bedacht.

Der Klang seiner Kompositionen war so prägend, dass Tiersen wohl Zeit seines Lebens mit "Amélie" verbunden bleiben wird und keine Rezension auf diesen Verweis verzichten kann, egal, was er gerade tut. Selbstredend kann Tiersen sehr gut mit (und von) der Erinnerung an sein Meisterwerk leben. Also versucht er gar nicht erst, sich von seinem Image zu lösen. Und so beginnt auch sein neues Album "Les retrouvailles" dort, wo "Amelie", "Goodbye Lenin" und das Live-Album "C'était ici" aufhörten.

Nahtlos knüpft er an seine Filmmusiken an und erschafft mit diesem Album eine weitere: Nur selten erlebt man Musik, die eine solche Flut an Bildern und Empfindungen vor dem geistigen Auge des Zuhörenden heraufbeschwört, doch gerade hierin liegt das Geheimnis der Einzigartigkeit des Bretonen begründet.

Seine Klangbilder zeigen Landschaften, Begegnungen, Empfindungen, schaffen Stimmungen und Umgebungen, die manchmal bedrückend, manchmal von berauschender Schönheit sein können. Wiederum verlässt er sich dabei in der Hauptsache nur auf sich selbst, spielte die meisten Instrumente im Alleingang ein, Unterstützung holte er sich nur für die Orchesterpassagen und den Gesang. Auch hierin zeigt sich jedoch seine Verlässlichkeit: Dominique A., einer der erfolgreichsten Wegbereiter der "Nouvelle Vague" des Chansons, ist erneut mit von der Partie, ebenso wie ein weiterer Charakterkopf der Szene: Christophe Miossec.

Ein Coup gelang Tiersen auch mit der Verpflichtung von Stuart A. Staples (Tindersticks) und zweier weiblicher Gastsängerinnen: die großartige Elisabeth Fraser, die bereits den Cocteau Twins und Massive Attack ihre Stimme gab sowie Chanson-Legende Jane Birkin, für die er eine melancholische Ballade maßschneiderte ("Plus d'hiver").

Freilich: Ein Risiko ist Tiersen mit "Les retrouvailles" nicht eingegangen. Er verlässt sich ganz auf seine, von Publikum und Kritikern gleichermaßen geschätzten Qualitäten, veredelt diese mit hochkarätigen Gästen und macht das Album durch das stimmige Arrangement aller Zutaten erneut zu einem Hochgenuss.

© Michael Frost, 15. Juni 2005


[Archiv] [Up]