Den Niedergang des Italopop hat Gianmaria Testa schon deshalb unbeschadet überstanden, weil er nie dazu gehörte. Er ist ein cantautore, ein Liedermacher der alten Schule, einer, dem aufdringliche Arrangements ebenso fremd sind wie lautstarke Effekthascherei. "Leute wie ich", sagt er, "beginnen, indem sie mit ihrer Gitarre kämpfen, bis der Lack am Holz abspringt und die Saiten sich in die Finger graben."
Als Zuhörer würde man den Begriff des "Kampfes" an dieser Stelle wohl nicht wählen, doch der Musiker mag den Entstehungsprozess seiner canzoni durchaus so empfinden. Für ein Konzert, das er im Mai 2008 im "studio teatro" in Rom gab, wählte er genau diese Form: Keine Begleitung, keine zusätzlichen Instrumente, sondern nur der Sänger mit der Gitarre - das klassische Liedermacher-Setting.
Die Entscheidung, aus dem routinemäßig produzierten Mitschnitt ein Live-Album zu machen (das erste in der langen Karrieregeschichte Testas überhaupt), fiel erst anschließend, nachdem allen Beteiligten die besondere Intensität dieses Abends klar geworden war.
Gianmaria Testas Partnerin Paola Farinetti bezeichnet die CD als "eine Art Raubmitschnitt, von seinem Autor genehmigt und abgesegnet", da die Aufnahme nicht mit den Mitteln der Technik entstand, die für CD-Veröffentlichungen sonst üblich sind. Doch die intime Atmosphäre vermittelt sich durch das Unvollkommene vielleicht noch mehr als durch die Perfektion.
Zwanzig Lieder wählte er aus seinen sechs bislang erschienenen Studioalben aus, kleine, melancholisch und schnörkellos interpretierte Geschichten, die er, der leise Lyriker mit der "Bauer-Dichter-Seele" (Flavio Sverini) mit dunklem, leicht angrautem Timbre vorträgt. Diese äußerste Reduktion ist für einen Musiker wie Testa, der sonst gern und besonders experimentierfreudig mit Instrumenten aus aller Welt hantiert, eine besondere Herausforderung.
Andererseits erkennt man gerade am Gelingen des Zusammenspiels von Stimme und Gitarre den wahren Liedermacher - es ist die Kür des cantautore.
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Michael Frost, 22.02.2009